Essen. . Eine Gewitterfront hat in der Nacht zu Freitag ganz NRW unter Wasser gesetzt. Polizei und Rettungsdienste waren besonders im Ruhrgebiet im Dauereinsatz. Bis zu 6500 Blitze pro Stunde wurden in der Nacht über NRW gezählt. Kran in Duisburg umgestürzt.
Heftige Gewitter haben am Donnerstag-Abend und auch in der Nacht zu Freitag über ganz NRW gewütet. Beim Wetterdienst Meteomedia zählte man bis zu 6500 Blitze innerhalb von einer Stunde. Heftige Regenfälle und orkanartige Böen versetzten Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste in einen Dauereinsatz. Unwetterwarnungen gab es für ganz NRW. Im Duisburger Innenhafen hat der Sturm einen Baukrank abgeknickt. Verletzte gab es dort aber keine.
Blitz schlug in Kletterwald ein
Nachdem es am Donnerstagabend stark geregnet hatte, seien die Beamten allein in Dortmund zu 225 Einsätzen ausgerückt, wie die Polizei am Freitagmorgen mitteilte. Am häufigsten wurden umgestürzte Bäume und überschwemmte Fahrbahnen gemeldet. Die Polizei in Essen zählte bis zum späten Abend 220 Einsätze, die Feuerwehr 103. Vier Personen wurden verletzt. Im U-Bahnhof Porscheplatz musste ein Gleis vorübergehend gesperrt werden, weil es unter Wasser stand. Auch die Norbertstraße vor der Eon-Verwaltung war überschwemmt und wurde gesperrt. In Essen-Katernberg schlug der Blitz in eine Doppelhaushälfte ein und löste einen Dachstuhlbrand aus; eine Bewohnerin kam verletzt ins Krankenhaus. Die Duisburger Rettungsdienste rückten im Laufe des Abends 130-mal aus, zumeist, weil dort Äste oder Bäume auf Autos gestürzt waren: „Personen kamen nicht zu Schaden“, hieß es in der Leitstelle.
Unter anderem in den Kreisen Recklinghausen, Warendorf, Kleve und dem Hochsauerlandkreis sowie in Düsseldorf und Wuppertal meldete die Polizei zahlreiche weitere wetterbedingte Einsätze. In Bochum fiel die Eröffnungsparty zum Zelt-Festival buchstäblich ins Wasser. In Voerde am Niederrhein stürzte nach einem Blitzschlag ein brennender Baum auf ein Haus. Menschen hatten sich nicht darin befunden. Es entstand ein Schaden von 100.000 Euro. In Herdecke geriet ein privater Taubenschlag in Brand; die Feuerwehr konnte 78 Tiere vor dem Tod retten. Zudem hatte der Regen Gesteinsbrocken aus einer Schieferfelswand im Ort herausgeschwemmt, die auf eine Straße fielen. Auf dem Harkortberg in Wetter schlug ein Blitz in den Kletterwald ein. 14 Besucher, die dort gerade unterwegs waren, kamen mit dem Schrecken davon, teilte die Feuerwehr mit. Der Blitz habe zum Glück nicht in einen Baum eingeschlagen, sondern sei durch den Boden abgeleitet worden.
A 52 wurde stückweise zur Wasserstraße
Die Autobahn 46 wurde am späten Abend zwischen Wuppertal und Aachen abschnittsweise wegen Überschwemmung gesperrt. Auch ein Teil der Autobahn 52 zwischen Essen und Düsseldorf wurde überflutet. Laut Landesleitstelle konnten die Sperrungen noch in der Nacht wieder aufgehoben werden.
Die Bahn meldete am Abend massive Beeinträchtigungen auf 20 Strecken. "Es sind jede Menge Züge in umgestürzte Bäume oder herabgerissene Äste gefahren", sagte ein Bahnsprecher am Freitag-Morgen. In Moers etwa stand ein Zug der Linie Duisburg-Xanten vor einem auf die Gleise gestürzten Baum. Ein Stromausfall brachte den Verkehr am Hauptbahnhof Oberhausen gegen 19:45 Uhr für wenige Minuten zum Erliegen. Größere Schäden an Oberleitungen seien in der Nacht behoben worden. Der Bahnverkehr laufe am Freitagmorgen weitgehend wieder nach Plan. Auf der S-Bahnlinie S1 kommt es allerdings noch zu Problemen wegen einer Baustellen-Panne: An den Bahnhöfen Duisburg-Schlenk, Großenbaum und Buchholz fahren S-Bahnen derzeit durch. Die Bahn hat einen Ersatzdienst durch Taxis eingerichtet und hofft, dass die Störung im Laufe des Freitags behoben sein wird.
Fast 30 Liter Regen pro Quadratmeter
Ein „regelrechtes Gewittercluster“ hatte NRW heimgesucht, erklärt Rebekka Krampitz, Meteorologin beim Wetterdienst Meteomedia in Bochum. Die stärksten Sturmböen (107 Stundenkilometer) wurden gegen 20:30 Uhr in Unna gemessen. Mit 27,6 Liter Regen pro Quadratmeter und Stunde hatte es in Gelsenkirchen am kräftigsten geschüttet, in Issum am Niederrhein wurde nur unwesentlich weniger gemessen (26,1 Liter). Aber auch in Bochum, Dortmund und Essen wurden Werte von deutlich über 21 Litern Regen erreicht.
Eindrucksvoll waren auch die Wassermassen in Lüdenscheid, die sich innerhalb kürzester Zeit ihren Weg bahnten. Mit 50 Litern pro Quadratmeter lag die Bergstadt bundesweit auf Platz zwei hinter Aachen (52 Liter). Rund 30 Liter fielen allein bis gegen 22 Uhr. Spitzenböen des Gewittersturms erreichten bis zu 83 Stundenkilometer.
Nahezu im Sekundentakt war der Himmel über Altena am Donnerstagabend taghell erleuchtet. Blitz und Donner gingen mit starken Regenfällen und Hagelschauern einher. Mit 63 Litern Niederschlag pro Quadratmeter liegt Altena vor seinen Nachbarstädten. Gemessen wurde diese Zahl allerdings von einer privaten Wetterstation, sie gilt also nicht offiziell. Wie die Pressestelle von Meteomedia auf Anfrage mitteilte, gingen in Lüdenscheid 50,2 Liter, in Nachrodt-Wiblingwerde 35,3 Liter und in Neuenrade 38,3 Liter runter.
In Herdecke lösten sich Gesteinsbrocken
Vielerorts sind am Freitag-Morgen die Folgen der Gewitter-Orgien aus der Nacht zu sehen: Herabgerissene Äste, herumgewirbeltes Laub. Im Großen und Ganzen aber sei das Unwetter glimpflich verlaufen, heißt es bei den Rettungsdiensten: In Herdecke hatte der Regen Gesteinsbrocken aus einer Schieferfelswand herausgeschwemmt, die auf eine Straße fielen. Die Kreispolizei Kleve meldet „keine großen Schäden“ im Kreis.
In Recklinghausen lösten Sturm und Hagel zahlreiche Alarmanlagen aus, im Kreis Warendorf wurden vor allem überquellende Gullys gemeldet und herabgerissene Äste, die aber auf den Straßen keine Unfälle ausgelöst hätten. Die Feuerwehr Gevelsberg meldete am Freitagmorgen zwei umgestürzte Bäume und einige aus den Fugen gedrückte Kanaldeckel. In Mülheim/Ruhr sagte Feuerwehrchef Burkhard Klein auf Anfrage von DerWesten: „Wir sind noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen“.
Im Laufe des heutigen Freitags wird sich das Wetter wieder beruhigen.“Das Schlimmste ist überstanden“, sagt Rebekka Krampitz. Bis zum frühen Nachmittag kann es noch vereinzelt gewittern, dann soll sich wieder die Sonne zeigen. Die nächsten Gewitter zeichnen sich aber bereits ab, heißt es bei Meteomedia: „Von Sonntag auf Montag kann es wieder heftig werden“. (dae/WE)