Berlin. Das ARD-Sommerinterview mit Angela Merkel war vor allen Dingen eines: überflüssig. Das liegt natürlich an den ausweichenden Antworten der Befragten - aber auch am Sendeformat
Die ARD lud die Kanzlerin zum Sommerinterview unter freiem Himmel. Dass das Berliner Wetter eher herbstlich anmutete, blieb leider nicht das einzige Manko der Sendung. Das Protokoll einer ärgerlichen Viertelstunde.
Nein, die Bundeskanzlerin steht derzeit nicht gut da. Es gibt Prügel von allen Seiten. Dass die Opposition verbal auf sie einschlägt, ist Angela Merkel ja gewohnt. Aber nun kommen die Angriffe aus den eigenen Reihen. Die Mittelständler in der Union bemängeln die Orientierungslosigkeit der Regierung. Die Wirtschaft mahnt mehr Führungsstärke der Regierungschefin an. Aus seinem Oggersheimer Bungalow lästert Altkanzler Helmut Kohl, Merkel mache auf europäischer Bühne eine klägliche Figur. In den Beliebtheitsumfragen wird die Kanzlerin von ihren potenziellen SPD-Herausforderern Steinbrück und Steinmeier abgehängt. Und nun zwingt die ARD sie auch noch, zum Sommerinterview auf einem knallroten Sessel Platz zu nehmen, dessen Farbe sich so gemein mit ihrem pinkfarbenen Sakko beißt. Und das an ihrem Geburtstag!
EU für Langweiler
Wer da gedacht hatte, die angeschlagene Regierungschefin würde nun vor der Kulisse des Reichstags im Berliner Regierungsviertel endlich in die Offensive gehen, ihre abwartende (viele sagen: zaudernde) Haltung aufgeben und stattdessen Handlungsfähigkeit demonstrieren, der sieht sich getäuscht. Da kann Interview-Partner Ulrich Deppendorf noch so dringlich „eine Ansage“ Merkels in Sachen Europa einfordern – die Kanzlerin bleibt auch wenige Tage vor dem nächsten Brüsseler Krisengipfel am Donnerstag im Allgemeinen, räsoniert über die „Schuldentragfähigkeit Griechenlands“, die guten Seiten der umstrittenen Rating-Agenturen oder die „Grundlagen des Lissabon-Vertrags“. EU für Langweiler statt Begeisterung für das Projekt Europa.
„Warum haben Sie eine solche Gurkentruppe als Kabinett?“, lässt die ARD dann einen Zuschauer in einem Einspieler die Bundeskanzlerin fragen. Das sieht Angela Merkel natürlich ganz anders. Man habe „einiges geschafft“, wie die Abschaffung der Wehrpflicht oder die Gesundheitsreform. Anderes sei noch in der Mache. Den handfesten Streit in der schwarz-gelben Koalition, etwa über die Steuersenkungen, nennt sie „öffentliche Meinungbildung“. So kann man es natürlich auch sehen.
Zum Schluss ziehen die Interviewer Deppendorf und sein Kollege Rainald Becker das Tempo an. Die Wolken über der Spree werden dunkler und Regen droht. Im Schweinsgalopp werden noch schnell zwei, drei Sätze zu Atomausstieg und Panzerlieferungen an Saudi-Arabien durchgehechelt, ohne dass dabei ein Erkenntnisgewinn zu erkennen wäre. „Es gibt nicht nur Schwarz und Weiß“, kommentiert Merkel die Waffenexporte an die Scheichs. So, so.
Was es aber gibt, sind spannende Interviews und überflüssige Dampfplaudereien. Die Viertelstunde der ARD mit Angela Merkel gehörte eindeutig in die zweite Kategorie. Trotzdem: Alles Gute zum Geburtstag, Frau Bundeskanzlerin!
Nächsten Sonntag ist FDP-Chef Philipp Rösler im Sommerinterview zu Gast. Sie wissen schon, einer aus der Gurkentruppe.