Washington. .
Am Vorabend führte er sie in ein Restaurant aus. Angela Merkel hat nicht gewusst, wohin sie gehen würden. Sie hat sich darauf eingelassen und von Barack Obama überraschen lassen. Politisch kann sie schon mal sperriger sein, und vielleicht markiert dieser Tag also einen neuen Ansatz. Nennen wir es Charmeoffensive.
Denn der US-Präsident zieht in diesen 28 Stunden in Washington alle Register des Protokolls: Er zeichnet die Kanzlerin mit der Freiheitsmedaille aus, das ist die höchste zivile Ehrung. Der Empfang und am Abend das Staatsdinner erreichen eine Dimension, die unter Obama bisher bloß drei Präsidenten (von China, Indien, Mexiko) vorbehalten blieb, einem Nachbar, zwei Weltmächten. Da reiht sich die Kanzerin ein, geschmeichelt, leicht verdutzt über die Wertschätzung, von der sie seit einem Jahr weiß.
Mit dem Auto ins Restaurant
Obama hatte sie auf dem G-20-Gipfel 2010 in Südkorea damit überrascht. Der Zeitpunkt war suboptimal. Schließlich war sie damals verstimmt, weil die USA den Chinesen und den Deutschen vorwarfen, zu wenig für die Weltkonjunktur zu tun. Die Episode ist aus zweierlei Gründen aufschlussreich. Sie zeigt, dass das Verhältnis so fest ist, dass man sich streiten kann. Sie zeigt zum anderen, dass der US-Präsident, der Außenpolitik staubtrocken betreibt, erkannt hat, dass er die Partnerschaft pflegen muss – und öffentlich zelebrieren.
Die Mächtigsten der Welt
Und so kommt es, dass er am Montag abend, kaum ist Merkel aus Deutschland angekommen, sie im Blair Haus mit dem Auto abholt und nach Georgetown ins Restaurant „1789“ führt. Dort sitzen sie im ersten Stock zwei Stunden lang und fast allein. Nun ja: Auf ihren Tisch und auf den Präsidenten trifft das zu. Die Kanzlerin ließ sich von drei Mitarbeitern begleiten, darunter einer Dolmetscherin. Sie sitzen am Nebentisch.
Durch die Blume
Zur selben Zeit, nur ein paar Autominuten entfernt, empfängt Klaus Scharioth den größten Teil der deutschen Delegation. Scharioth ist der Botschafter. Er weiß die Wertschätzung richtig einzuordnen: Wie groß die Ehre ist, aber auch, dass sie „mit Erwartungen“ verbunden ist. Kurzum: Durch die Blume sagt der Präsident der Kanzlerin, dass er von ihr mehr erwartet.
Der Vorwurf, dass Deutschland zu wenig für die Konjunktur tue, hat sich erledigt. Dass daheim die Binnenfrage anzieht, weiß man in Washington. Generell gehen beide Staaten in der Finanzkrise anders vor. Die USA stützen die Konjunktur um jeden Preis, und den Maßstab legen sie auch in der Euro-Krise an, während Merkel stets auf die Verschuldung hinwies und auf eine Exit-Strategie pochte.
Reizthema Libyen
Ein weiterer Reizpunkt: Libyen. Zwar hatten Amerikaner und Deutsche ähnliche Vorbehalte gegen einen Militäreinsatz. Aber am Ende kämpften nur die USA an der Seite der Nato-Partner. Es war das erste Mal, dass Merkel tatsächlich „Nein“ sagte. Das hat nun zu Folge, dass die Deutschen viel mehr schultern werden, nämlich Aufbauhilfe, sobald der libysche Herrscher Gaddafi weg ist. So lautet zwar nicht die UN-Resolution, aber darauf läuft es hinaus.
Obama weiß, dass Merkel sperrig sein kann, aber auch, dass auf sie Verlass ist. Was sie einmal versprochen habe, das halte sie ein, hat er im „Tagesspiegel“ gesagt. Offenbar ist es auch in ihren Kreisen eine Tugend und keine Selbstverständlichkeit, über die man nicht reden muss.
19 Salutschüsse
Und deswegen steht Merklel jetzt hier: Mitten im Garten des Weißen Hauses, die Kapelle spielt die Hymnen der zwei Staaten, die Soldaten feuern 19 Salutschüsse ab. Über 2.000 Menschen drängen sich, um einen Blick auf sie, Obama und Ehefrau Michelle zu erhaschen. Mehrere Minister sind dabei, auf deutscher Seite auch zwei Länderchefs, der Hesse Volker Bouffier und der Hamburger Olaf Scholz.
Am Abend beim Bankett ist gar großes Kino angesagt: Der Präsident hat Sportler, Künstler und TV-Stars eingeladen, Menschen wie Thomas Gottschalk oder wie Jürgen Klinsmann, die in beiden Ländern zu Hause sind. Obama hatte auch an den Baskettbaler Dirk Nowitzki gedacht, aber der steckt gerade in den „Finals“. Joachim Sauer ist gerade noch rechtzeitig von einem Vortrag in den USA dazugestoßen. So eine große Ehre für seine Frau lässt er sich nicht entgehen. Er müsste es am besten wissen, ob es hilft: Angela Merkel etwas durch die Blume zu sagen.