Dresden. . Zum Auftakt des 33. Evangelischen Kirchentag hat die frühere EKD-Ratsvorsitzende Käßmann die deutsche Rüstungsindustrie kritisiert: „Wir verdienen am Krieg, den wir beklagen“. Bundespräsident Wulff wirbt für Miteinander der Religionen.

Bundespräsident Christian Wulff hat beim Kirchentag in Dresden für eine offene Gesellschaft geworben. Integration sei eine „faszinierende Aufgabe“. Sie bedeute, dass man „sich selbst was abverlangt und von anderen was verlangt“.

„In der globalen Welt wird es nur miteinander oder gar nicht gehen“, sagte das Staatsoberhaupt am Donnerstag auf dem Kirchentag bei einer Diskussionsrunde mit jungen Migranten. Niemand könne sich abschotten. „Wir brauchen Offenheit für Fremdes und Fremde.“ Das sei Voraussetzung, damit der Zusammenhalt und das Zusammenleben in Deutschland überhaupt gelingen könne.

Ihre Kritik am Afghanistan-Krieg hat die frühere Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, Margot Käßmann, erneuert. Bei ihrer Bibelarbeit zu den Seligpreisungen der Bergpredigt Jesu sagte sie: „Es gibt keinen gerechten Krieg. Es gibt nur einen gerechten Frieden. Und dieser erfordert Kreativität, Zeit, Engagement und Geld.“

Käßmann kritisiert deutsche Rüstungsindustrie

Die ehemalige EKD-Vorsitzende kritisierte die deutsche Rüstungsindustrie scharf: „Unsere Volkswirtschaften profitieren von dem Krieg, den wir beklagen“, sagte Käßmann in Dresden. „Kann es legitim sein, am Waffenhandel zu verdienen?“, fragte sie vor 6500 Zuhörern in einer Bibelstunde in einer überfüllten Sportarena.

Die Frage richtete die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) auch an Bundespräsident Christian Wulff, der im Publikum saß. Unter Berufung auf das Stockholmer Institut für Friedensforschung sagte Käßmann, der deutsche Anteil am internationalen Waffenhandel sei zwischen 2005 und 2010 auf elf Prozent gestiegen und werde nur noch von Russland und den USA übertroffen. „Unsere Kirchen können angesichts dieser Situation nicht schweigen“, betonte sie.

Käßmann wies die Kritik des früheren Wehrbeauftragten Reinhold Robbe zurück, der ihr geraten hatte, sich in ein Zelt zu setzen und mit den Taliban bei Kerzenlicht zu beten. „Offen gestanden finde ich, ist das eine wesentlich bessere Idee als die Bombardierung von Tanklastwagen in Kundus.“ Käßmann kritisierte auch die großflächigen Bombardierungen der Nato-Truppen in Libyen: „Friede wird so nicht, das sehen wir.“

120.000 Teilnehmer beim Kirchentag

Unterstützung erhielt Käßmann vom muslimischen Großmufti von Sarajevo, Mustafa Ceric. „Es gibt keinen gerechten Krieg - nur gerechten Frieden. Es gibt keinen heiligen Krieg - nur heiligen Frieden.“ Auf Klimawandel, atomare Bedrohung und Armut könnten die großen Religionen nur gemeinsam Antworten finden. Die Voraussetzungen dafür seien da: Wir teilen viele Grundwerte miteinander und glauben an den gleichen Gott“, sagte Ceric.

„Ein Dialog, der hilft, auch im Fremden das Ebenbild Gottes zu sehen, entspricht Gottes Willen“, sagte auch Nikolaus Schneider, Käßmanns Nachfolger im EKD-Ratsvorsitz. „Die Religionen müssen sich von dem Gedanken verabschieden, die Wahrheit allein zu besitzen. Gott ist immer größer als unsere Wahrheitserkenntnis“,sagte der rheinische Präses. Als gemeinsame Wahrheitssucher „können Muslime und Christen gemeinsam handeln“, damit soziale Gerechtigkeit möglich werde.

Noch bis Sonntag feiern 120.000 Dauerteilnehmer den Evangelischen Kirchentag in Dresden. Samstag wird Bundeskanzlerin Angela Merkel zu einer Diskussion über die neue Weltordnung erwartet. (mit dapd)