Berlin. Das frühere Topmodel hat von 1999 bis 2002 keine Einkommensteuer gezahlt, denn eigentlich lebte sie in Monaco - war aber auch so oft in Deutschland, dass die Frage ihres Wohnsitzes unklar war

Eigentlich ist Nadja Auermann Blitzlichtgewitter gewohnt. Doch der Presserummel im Gerichtssaal 3115 des Amtsgerichts Berlin-Tiergarten ist ihr sichtbar unangenehm. Das frühere Topmodel steht seit Donnerstag wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung in Berlin vor Gericht. Sie und ihr Mitangeklagter Ex-Ehemann, Schauspieler Wolfram Grandezka, sollen zwischen 1999 und 2002 neben ihrem Wohnsitz in Monaco eine Villa in Berlin bewohnt haben, ohne hierzulande Einkommenssteuer zu zahlen. Angeblicher Steuerschaden: rund 270.000 Euro.

Der Prozess beginnt mit fast 30 Minuten Verspätung. Auf dem engen Flur herrscht Gedränge. Kamerateams und Fotografen buhlen um den besten Blick auf die 40-Jährige mit den schier endlos langen Beinen. Endlich kommt sie über den Gang. Ihr Anwalt schiebt sie durch die neugierige Menschenmenge zu ihrem Platz.

Ex-Model im schlichten Outfit

Auermann war schon auf allen Bühnen der Welt unterwegs, ob in Paris oder New York. Jetzt sitzt sie in einem tristen Raum. Es ist stickig, und der grüne Teppichboden ist fleckig. Von Glamour ist hier keine Spur. Auermann ist dem Anlass entsprechend gekleidet. Sie trägt flache Ballerinas, eine schwarze Leggins und eine weiße Bluse. Ihren Mantel hat sie abgelegt. Im Saal lässt sich Grandezka ("Verbotene Liebe") zwei Plätze neben ihr nieder. Die Zuschauerplätze sind komplett belegt.

Der Staatsanwalt hat soeben die Anklage verlesen. Dann spricht die dreifache Mutter Auermann die entscheidenden Sätze: "Ich habe keine Steuern hinterzogen. Ich bin unschuldig." Sie will offensiv vorgehen, zu allen Punkten Rede und Antwort stehen. Als sie ihre Sichtweise schildert, gestikuliert sie mit den Armen. Sie ist erregt und sucht gelegentlich nach den richtigen Worten. Ihr Anwalt hilft ihr dann auf die Sprünge.

Auermann zeigt Gefühle

Das erworbene Haus im Berliner Stadtteil Köpenick sollte vermietet werden, sagt sie. Bis 2003 sei die Villa aber eine Baustelle gewesen. Ihre damaligen Aufenthalte hätten allein mit Baumaßnahmen zu tun gehabt. Gewohnt habe sie dort nicht. Erst im Juli 2002 sei sie nach Deutschland gezogen. Der Staatsanwalt schaut sie von unten an und zieht die linke Augenbraue hoch.

Er will wissen, was Auermann zu dem Umzug nach Deutschland bewogen hat. Auermann - bis dahin vollkommen gefasst - schlägt unerwartet die Hände vor das Gesicht und kämpft mit den Tränen. Sie kann nicht mehr sprechen und dreht sich weg. Auermanns Mutter sei damals schwer erkrankt und später gestorben, erklärt ihr Anwalt. Das Mannequin habe die letzten Monate mit ihrer Mutter verbringen wollen.

Grandezka, mit Turnschuhen und Lederjacke, meldet sich am ersten Prozesstag nicht zu Wort. Er wirkt nervöser als Auermann. Während der Verhandlung klingelt sein Handy, weshalb ihn sein Anwalt mit einem bösen Blick strafft.

Auermann schlägt sich tapfer. Ihre Schilderungen klingen plausibel. Ihre Nachbarn können sich an die Wohnverhältnisse vor mittlerweile zehn Jahren kaum noch erinnern. "Wie oft haben Sie Frau Auermann gesehen? Stand das Auto oft vor der Tür? Wer hat auf die Katze aufgepasst? Gab es Grillpartys oder Feste?" wollen Staatsanwalt und Richter von den geladenen Zeugen wissen. Bei all den Fragen müssen die Zeugen schnaufen. Ihre Antworten sind meistens dünn. (dapd)