„Eiskalte Täuschung“ wirft die FDP im Landtag Innenminister Ralf Jäger in der Aufklärung des Loveparade-Unglücks vor. Aussagen des Ministers zum Polizeieinsatz hätten sich nachweislich als falsch erwiesen.
Ein Pressebericht über Polizeipannen bei der Duisburger Loveparade-Katastrophe hat einen teils persönlich geführten Streit im nordrhein-westfälischen Landtag ausgelöst. Es gehe nicht darum, einzelnen Polizisten Fehler vorzuwerfen, sondern "Führungsversagen aufzuhellen", sagte der FDP-Innenexperte Horst Engel am Donnerstag im Düsseldorfer Landtag. Innenminister Ralf Jäger (SPD) verteidigte die Polizei.
Jäger habe "eiskalt getäuscht", rügte Engel. Aussagen des Ministers zum Polizeieinsatz hätten sich nachweislich als unvollständig oder falsch erwiesen. Es habe "offenbar entscheidende Fehler bei der Polizei" gegeben, sagte die Linke-Abgeordnete Anna Conrads. Zudem habe die Regierung das Parlament lückenhaft informiert. Auch die Stadt Duisburg und der Veranstalter seien mitverantwortlich.
Ermittlungen gegen Polizei-Einsatzleiter
Bei der Loveparade in Duisburg waren am 24. Juli vergangenen Jahres 21 Menschen tödlich verletzt worden, als es an einer Rampe zu dem Veranstaltungsgelände zu einer Massenpanik kam. Mehr als 500 junge Leute erlitten teilweise schwere Verletzungen. Laut "Spiegel" hatte ein Schichtwechsel der Polizei am Einsatzort das Chaos verschärft. Zudem seien Sicherheitsbedenken im Vorfeld ignoriert worden.
Der Innenminister brach unter Verweis auf den vorläufigen Ermittlungsbericht der Staatsanwaltschaft eine Lanze für die Polizei. "Es gab keine strafbare Pflichtverletzung durch Polizeibeamte im Genehmigungsverfahren", berichtete Jäger.
Im Hinblick auf das Vorgehen der Polizei am Veranstaltungstag habe sich nach Angaben der Staatsanwaltschaft erst mit "Beginn der kritischen Menschenverdichtung im Rampenbereich" in Duisburg eine "strafrechtliche Verantwortung" der Polizei ergeben.
"Letztlich ist ein Anfangsverdacht gegen einen Polizeibeamten bejaht worden", sagte Jäger. Es gehe um den Polizeieinsatzleiter. Die Staatsanwaltschaft Duisburg ermittelt gegen den Mann. Zudem laufen Ermittlungen gegen elf Mitarbeiter der Stadt sowie gegen vier Mitarbeiter des Veranstalters Lopavent. Eine Ausweitung der Ermittlungen auf weitere Polizeibeamte sei derzeit nicht beabsichtigt, betonte der Innenminister.
CDU fordert den vollständigen Ermittlungsbericht
Es sei bekannt gewesen, dass die Staatsanwaltschaft nicht von "strafbewehrten Pflichtverletzungen" ausgehe, entgegnete CDU-Fraktionsvize Peter Biesenbach. "Aber das ist doch nicht das Ende der Wahrheit", fügte er hinzu.
Jäger habe im Juli 2010 als Besucher im VIP-Bereich in Duisburg das Veranstaltungsgelände verlassen, nachdem es die ersten Toten gegeben habe, sagte der CDU-Politiker. Es gehe nicht um juristische Schuld, sondern um politische Verantwortung. Jäger solle den vollständigen Ermittlungsbericht vorlegen, forderte Biesenbach.
Der Grünen-Politiker Matthi Bolte bezeichnete die Verknüpfung zwischen Jägers persönlicher Teilnahme an der Loveparade und der tödlichen Massenpanik als "moralischen Tabubruch". Biesenbach erklärte dazu, er habe lediglich kritisieren wollen, dass Jäger vor Ort nicht schnell genug über Todesopfer informiert worden sei.
Einen Tag vor der tödlichen Katastrophe hatte der Minister mitgeteilt: "Alle sind hoch motiviert und haben sich professionell vorbereitet." Bei Bedarf stehe weitere schnelle und koordinierte Hilfe zur Verfügung. "Damit sind wir in der Lage, schnell zu helfen und den bestmöglichen Schutz für die Menschen zu gewährleisten", versprach Jäger. Es kam anders. Die Loveparade wurde zu einem der schlimmsten Unglücke in der NRW-Geschichte. Nach dem Unglück räumte Jäger stets nur kleinere Fehler der Polizei ein.
Einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Thema gibt es bisher nicht. Während CDU und FDP die Verantwortung von Minister Jäger weiter beleuchten wollen, forderten SPD-Politiker erneut den Rücktritt des Duisburger Oberbürgermeisters Adolf Sauerland (CDU). Dass Sauerland im Amt bleibe, sei "ein Skandal", sagte der Duisburger SPD-Landtagsabgeordnete Sören Link. CDU-Mann Biesenbach sprach hingegen von einer "Hetzjagd" auf Sauerland. (dapd)
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