Essen/Berlin. . Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck widerspricht der Kanzlerin. „Man kann sich als Mensch und erst recht nicht als Christ über den Tod eines Menschen freuen.“ Ähnlich äußerte sich der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche, Nikolaus Schneider.

Bundeskanzlerin Angela Merkel gerät wegen ihrer Äußerungen über die Tötung von El-Kaida-Chef Osama bin Laden in die Kritik der Kirchen. „Man kann sich als Mensch und erst recht nicht als Christ über den Tod eines Menschen freuen“, sagte Ruhrbischof Overbeck, der auch Militärbischof der Katholischen Kirche ist, der WAZ. „Das gilt auch, wenn er ein Gewalttäter war.“ Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte sich am Montag erfreut gezeigt, „dass es gelungen ist, bin Laden zu töten“.

Der Bischof von Essen erklärte, die Würde eines Menschen sei immer zu achten. „Es wäre besser gewesen, wenn sich bin Laden vor einem Gericht seiner Verantwortung gestellt hätte.“ Overbeck nahm auch zu der Frage Stellung, ob ein „Tyrannenmord“, über den nach der Erschießung des Terroristen debattiert wird, gerechtfertigt sei. Die Kirche, sagte er, werde eine solche Form der Tötung niemals gutheißen. Sie werde immer daran erinnern, dass es auch bei Tyrannen eine strenge ethische Abwägung geben müsse.

Jubel-Bilder aus den USA sind „verstörend“

Aber er wies zugleich darauf hin, dass bin Laden eine „unendliche Blutspur hinterlassen“ habe – nicht nur mit den Anschlägen vom 11. September 2001; er habe auch den Tod vieler Muslime zu verantworten.

Ähnlich äußerte sich der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider. Zwar halte er die Erleichterung, mit der auf die Tötung von bin Laden reagiert wird, für nachvollziehbar. Darin komme zum Ausdruck, dass eine „Symbolfigur des internationalen Terrorismus“ nicht mehr wirken könne.

Sind sich in ihrer Kritik einig: Nikolaus Schneider (li.) und Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck. (Foto: Arnold Rennemeyer/WAZ FotoPool)
Sind sich in ihrer Kritik einig: Nikolaus Schneider (li.) und Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck. (Foto: Arnold Rennemeyer/WAZ FotoPool) © WAZ FotoPool

Schneider wandte sich allerdings dagegen, den Tod eines Menschen mit dem Gefühl der Freude zu verbinden: „Das ist keine Kategorie, in der ich denke. Über einen konkreten Tod kann man nicht jubeln.“ So betrachtet, finde er die Bilder von jubelnden Menschen am Times Square in New York, die bin Ladens Tod öffentlich feierten, „verstörend“.

Bischofskonferenz äußert sich nicht offiziell

Nach ethischen Maßstäben könne es laut Schneider punktuell geboten sein, Gewalt auszuüben, um ausufernde Gewalt zu beenden. Ein so begründeter Einsatz von Gewalt müsse allerdings „maßvoll“ sein. Ob dies im Falle von bin Laden eingehalten worden sei, entziehe sich der Berurteilung seiner Kirche.

Overbecks Äußerungen werden nach Informationen der WAZ-Mediengruppe in der Katholischen Kirche als „durchaus bemerkenswert“ gewertet, weil sich die Deutsche Bischofskonferenz bislang offiziell zu dem Thema nicht geäußert hat, sondern lediglich auf eine kritische Stimme eines Vatikan-Sprechers verweist. Interne gehandelte Begründung: Man wolle die USA nicht offiziell kritisieren.