Tripolis. . Bei Kämpfen um die Stadt Misrata sind laut libyschen Ärzten tausende von Menschen ums Leben gekommen. Die Kämpfe um die von Gaddafis truppen belagerte Stadt gehen weiter. Die Nato will mehr Flugzeuge einsetzen.
Die NATO rechnet mit dem Erhalt weiterer Kampfflugzeuge für ihren Libyen-Einsatz. Das sagte am Montag ein NATO-Beamter, der anonym bleiben wollte. Etwa neun weitere Kampfjets seien für die Mission nötig. Die Allianz verfüge über ausreichend Flugzeuge und Präzisionsmunition, um den Libyen-Einsatz im jetzigen Tempo zu führen, sagte der Gewährsmann.
Die Truppen des libyschen Machthabers Muammar al Gaddafi hätten sich inzwischen verteilt und setzten leichte Fahrzeuge ein, sagte der Gewährsmann weiter. Daher brauche die NATO „eine Handvoll“ weitere Kampfflugzeuge, die lasergelenkte Präzisionsbomben tragen könnten.
Die NATO hat knapp 200 Flugzeuge für den Einsatz in Libyen stationiert, unter anderem Kampfjets, Aufklärungsflugzeuge und Tankflugzeuge.
Gaddafis Truppen beschießen Misrata
Trotz der Luftangriffe nehmen Einheiten des libyschen Machthabers Muammar Gaddafi nach Angaben von Aufständischen unvermindert Rebellenbastionen unter Beschuss. Auf die seit nunmehr sieben Wochen umkämpfte Küstenstadt Misrata hagelten am Montag erneut Raketen und Artilleriegeschosse, sagte ein Sprecher der Rebellen. Allein am Sonntag seien in der strategisch wichtigen Stadt - die westlichste Hochburg der Aufständischen - 17 Menschen getötet und etwa Hundert verletzt worden, die meisten von ihnen Zivilisten. Auch Adschdabijah nahmen die Gaddafi-Truppen zum Wochenauftakt abermals ins Visier. „Die Lage ist nicht sehr gut“, sagte ein 25-jähriger Aufständischer. „Wir wollen Waffen, moderne Waffen“, forderte ein 21-jähriger Mitstreiter. „Wenn wir die hätten, dann könnten wir gegen (die Gaddafi-Truppen) vorrücken.“
Die Rebellen wollen von Adschdabija aus versuchen, den Ölhafen Brega zurückzuerobern. Einen Monat nach Erteilung des UN-Mandats zum Schutz von Zivilisten haben die Aufständischen aber bislang dauerhaft keinen Boden im Kampf gegen Gaddafi gutmachen können. Auch die Luftangriffe internationaler Streitkräfte haben den Aufständischen noch keine entscheidenden Vorteile verschafft. Experten sprechen von einer Patt-Situation. Die Nato hat zwar angekündigt, bis zum Sturz Gaddafis weiterzukämpfen. Den Einsatz von Bodentruppen schließen westliche Staaten jedoch strikt aus. „Eine Invasion oder Besatzung steht nicht zur Debatte“, betonte Großbritanniens Premierminister David Cameron am Sonntag in einem Fernsehinterview.
Angeblich viele Tote in Misrata
Bei den Kämpfen um die westlibysche Stadt Misrata sind nach Angaben von Ärzten in den vergangenen sechs Wochen etwa tausend Menschen getötet worden. Zudem habe es etwa 3000 Verletzte gegeben, erklärte das Krankenhaus in der umkämpften Stadt am Montag. Der Sohn von Machthaber Muammar el Gaddafi, Seif el Islam, wies dessen ungeachtet Vorwürfe der Gewalt von Regierungstruppen gegen Zivilisten zurück.
Der Verwalter des Krankenhauses in Misrata, Chaled Abu Falgha, sagte vor Journalisten, bei 80 Prozent der Getöteten handele es sich um Zivilisten. Die 60 Betten der Klinik seien derzeit alle mit Verletzten belegt. Allein am Sonntag waren in der von den Aufständischen kontrollierten und von Gaddafis Truppen umstellten Küstenstadt mindestens 17 Menschen getötet und 71 verletzt worden.
Opfer wurden von Streubomben verwundet
Seit vergangener Woche seien bei den Patienten besonders schwerwiegende Verletzungen festgestellt worden, die von dem Einsatz von Streubomben herrührten, sagte Falgha. Nach Angaben der Ärzte mussten zahlreichen durch Streubomben verletzten Menschen Gliedmaßen amputiert werden, um sie zu retten. Streumunition ist international geächtet. Ihre Behälter öffnen sich in der Luft und setzen viele kleine Bomben, sogenannte Bomblets, über große Flächen frei. Die Gebiete bleiben wegen der großen Zahl von Blindgängern auch nach dem Ende eines Konflikts verseucht.
Die libyschen Rebellen sowie Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch werfen den Regierungstruppen vor, die heimtückischen Waffen seit vergangenem Donnerstag einzusetzen. Zudem versetzen Heckenschützen die Bevölkerung in Misrata zunehmend in Angst und Schrecken. Nach Angaben des Arztes Abdul Kather Muktar erlitt etwa ein zehnjähriger Junge einen glatten Kopfdurchschuss durch einen Scharfschützen. Es sei unklar, ob Mohammed jemals wieder zu Bewusstsein komme.
Gaddafis Sohn bestreitet, das eigene Volk anzugreifen
Die libysche Führung hingegen bestritt, die Bevölkerung anzugreifen. „Wir haben keine Verbrechen gegen unser Volk begangen“, sagte Gaddafis Sohn Seif der „Washington Post“. „Das ist nicht passiert. Das wird nie passieren.“ Sobald die „Terroristen“ in Misrata und der Rebellenhochburg Bengasi besiegt seien, werde die Macht seines Vaters in einer neuen Verfassung beschränkt, fügte Seif hinzu. Ein Sprecher Gaddafis sagte am Sonntagabend, die Beteiligung des Terrornetzwerks El Kaida an der Revolte sei „bewiesen“.
Aus Misrata flohen derweil immer mehr Menschen vor der Gewalt. Da die Stadt von Gaddafis Truppen umzingelt ist, bleibt den Flüchtlingen nur der Seeweg. Am Sonntag blockierten hunderte Menschen laut Augenzeugen den Hafen und behinderten ein Hilfsschiff der Internationalen Organisation für Migration (IOM). Die IOM befürchtet nun eine Massenflucht aus Misrata, wo 400.000 Menschen leben. Auch in den Städten Nalut im Westen und in Adschdabija im Osten des Landes hielten die Kämpfe an.
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon forderte einen sofortigen Waffenstillstand in Libyen. Zudem wolle die UNO in Zusammenarbeit mit dem Roten Kreuz ihre humanitäre Hilfe in Libyen ausweiten und in der Hauptstadt Tripolis eine Vertretung einrichten, kündigte er in Budapest an. Ban forderte zudem internationale Bemühungen bei der Suche nach einer politischen Lösung des Konflikts. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy forderte am Sonntag, den militärischen Druck auf Gaddafi aufrechtzuerhalten, bis dieser aufgebe. (afp, ap, rts)