Essen. . Hat sich Silvana Koch-Mehrin mit fremden Federn geschmückt? Plagiatsvorwürfe zu ihrer Doktorarbeit belasten nach Guttenberg jetzt auch das „schöne Gesicht der FDP“. Für die krisengeschüttelten Liberalen kommt das Thema zur Unzeit.
Es ist ja nicht so, als habe sich Silvana Koch-Mehrin nicht bemüht. Seit Beginn der aktuellen Legislaturperiode hat sie an 90 Prozent der Sitzungen des Europaparlaments teilgenommen, heißt es auf der Internetseite „Votewatch.eu.“. Das ist insofern bemerkenswert, weil sich die 40-jährige Vizepräsidentin des Parlaments vor nicht allzu langer Zeit den Vorwurf gefallen lassen musste, einen überschaubaren Arbeitseifer an den Tag zu legen.
Das war vor der Europawahl 2009, dank der sie einem breiten Publikum bekannt wurde, weil sie als Frontfrau der FDP landauf, landab von Wahlplakaten strahlte. „Für Deutschland in Europa. Dr. Silvana Koch-Mehrin“ stand darauf. Der so ungemein schmückende akademische Titel ist es, der sie jetzt erneut in die Schlagzeilen bringt. Glaubt man anonymen Plagiatsjägern im Internet, dann hat sich Koch-Mehrin, ähnlich wie Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), in ihrer Doktorarbeit mit fremden Federn geschmückt.
Plagiate auf 27 Seiten
„Historische Währungsunion zwischen Wirtschaft und Politik“ lautet der Titel der 227-seitigen Dissertation, die Koch-Mehrin 2000 bei der philosophischen Fakultät der Universität Heidelberg eingereicht hat. Veröffentlicht wurde sie 2001. Die FDP-Politikerin arbeitet laut Verlagsangaben darin die Bedeutung der so genannten Lateinischen Münzunion der Jahre 1865 bis 1927 auf die Europäische Währungsunion heraus. Interessant sei das Werk für Leser, die sich mit den Vorläufern des Euro beschäftigen, schreibt der Verlag. Mag sein.
Interessant ist das Werk derzeit aber vor allem für Plagiatsjäger. Auf der Internetseite „VroniPlag Wiki“ unterziehen sie die Dissertation einer kritischen Betrachtung – und sind auf bislang 27 Seiten fündig geworden. Teilweise soll Koch-Mehrin ganze Absätze ihrer Arbeit mit nur geringfügigen Änderungen abgeschrieben haben, ohne Quellen zu nennen. Der Promotionsausschuss der philosophischen Fakultät überprüfe die Plagiatsvorwürfe bereits, teilte die Universität Heidelberg gestern mit. Wie lange das dauert, sei aber ungewiss.
Koch-Mehrin schweigt zu den Vorwürfen. Auf NRZ-Anfrage verwies ihr Brüsseler Büro lediglich auf die laufenden Untersuchungen der Universität. 2009 war sie wesentlich agiler. Damals wehrte sie sich verbissen gegen die Kritik, sie zeige nicht allzu häufig Präsenz im Plenarsaal, dafür aber um so mehr in den Talkshows der Republik, wo sie als „schönes Gesicht der FDP“ herumgereicht wurde.
Silvana Koch-Mehrin
Auch heute wird in Brüssel über die 40-Jährige gesagt, dass sie zwar blendend aussehe und charmant plaudere, aber nicht wirklich viel zu sagen habe.
Ungelegen für die FDP
Umso mehr dürfte es Koch-Mehrin ärgern, dass die Internetseite, auf der die Plagiatsvorwürfe erhoben werden, nicht einmal wegen ihr ins Leben gerufen wurde: „VroniPlag“ hat sich ursprünglich mit der Dissertation von Veronica Saß beschäftigt, der Tochter von Edmund Stoiber. Nebenbei: Bei Saß sind die Plagiatsjäger auf fast der Hälfte der Seiten ihrer Dissertation fündig geworden.
Für die krisengebeutelte FDP kommt die Affäre zur Unzeit: Bald-Parteichef Philipp Rösler hat erst am Wochenende beim Landesparteitag in Niedersachsen die Parole ausgegeben, die Glaubwürdigkeit der Partei müsse deutlich verbessert werden. Silvana Koch-Mehrin gilt als Hoffnungsträgerin der Partei und sitzt seit 1999 im Bundesvorstand. Sollte sie als Schummlerin auffliegen, dürfte das Projekt „Glaubwürdigkeit“ einen herben Rückschlag erleiden.