Tokio. . Die japanische Regierung hat die Sicherheitsnormen für Kernkraftwerke erhöht. AKW-Betreiber Tepco leitet weiter verseuchtes Wasser ins Meer. Zwei Tage nach dem jüngsten schweren Beben sind im Nordosten Japans noch Hundertausende ohne Strom.

Zwei Tage nach dem jüngsten schweren Beben waren am Samstag in den betroffenen Gebieten im Nordosten Japans noch immer rund 260.000 Menschen ohne Strom. Zahlreiche Haushalte waren von der Gas- und Wasserversorgung abgeschnitten. Bei dem Beben der Stärke 7,1 vom Donnerstag kamen drei Menschen ums Leben. Aus dem schwer beschädigten Atomkraftwerk Fukushima wurden keine zusätzlichen Probleme aufgrund des Erdstoßes gemeldet.

Dort pumpten Arbeiter am Samstag weiter Stickstoff in die Kammer eines Reaktors, um das Risiko einer Wasserstoffexplosion zu verringern. Außerdem leitete die Betreiberfirma Tepco weiterhin radioaktiv verseuchtes Wasser ins Meer. Damit soll Platz für die Lagerung stärker verstrahlten Wassers geschaffen werden. Die Arbeiten sollen am Sonntag abgeschlossen werden.

Techniker würden bereits die Auffangbecken inspizieren, um sicherzustellen, dass sie dicht sind, sagte Hidehiko Nishiyama, Sprecher der Atomsicherheitsbehörde. Wann diese Überprüfungen abgeschlossen sein werden, sagte er nicht.

Nach den neuen Stromausfällen wegen eines Nachbebens hat die japanische Atomaufsicht unterdessen die Sicherheitsnormen für Kernreaktoren verschärft. Fortan müssten für jeden Reaktor mindestens zwei Notstromaggregate bereitstehen, um eine Unterbrechung des Kühlkreislaufs zu verhindern, teilte die Behörde am Samstag mit. Die Erhöhung der Zahl der Notstromaggregate gilt laut Atomsicherheitsbehörde für alle 55 Reaktoren in Japan.

Drohne soll havariertes Kraftwerk inspizieren

Der japanische Energiekonzern Tepco will eine Drohne einsetzen, um die Schäden am Unglückskraftwerk Fukushima 1 zu begutachten. Das unbemannte Flugzeug des US-Unternehmens Honeywell vom Typ T-Hawk solle am Sonntag ein Video von den beschädigten Reaktoren eins bis vier des Kraftwerks aufnehmen, sagte ein Tepco-Sprecher am Samstag. „Sie ist wie ein kleiner Hubschrauber. Sie wird in der Lage sein, Bereiche in und über dem Kraftwerk Fukushima 1 abzufliegen, die wir bisher wegen der hohen Strahlung nicht sehen konnten.“

Die Regierung kündigte am Freitag neue Strahlungsgrenzwerte für Reis an. Bauern dürfen außerdem in Gebieten mit zu hoher Cäsium-Belastung keinen Reis mehr anbauen. Bislang betrifft dies lediglich zwei Orte im Dorf Iitate, 40 Kilometer von dem Atomkraftwerk entfernt. Die Landwirte sollen für den Ausfall entschädigt werden. Die Regierung habe schnell entscheiden müssen, da man sich in der Pflanzzeit befinde, sagte Landwirtschaftsminister Michihiko Kano.

Erstmals Strahlungsgrenzwerte für Fisch festgelegt

Im vergangenen Jahr produzierte Japan 8,5 Millionen Tonnen Reis und importierte weitere 664.000 Tonnen. Nur 1900 Tonnen wurden 2010 exportiert. Die Präfektur Fukushima ist das viertwichtigste Reisanbaugebiet in Japan. Bislang besteht nach Experteneinschätzung aber keine Gefahr. Man müsse enorme Mengen Reis zu sich nehmen, um auch nur dieselbe Strahlendosis abzubekommen wie bei einer Computertomografie. Cäsium sei allerdings eine Gefahr, weil es sich im Körper anreichern und das Krebsrisiko erhöhen kann.

Vor wenigen Tagen hatte die Regierung erstmals auch Strahlungsgrenzwerte für Fisch festgelegt. Am Freitag hoben die Behörden das Verkaufsverbot für einzelne Feldfrüchte aus bestimmten Gebieten auf. Spinat und die Gemüseart Kakina aus der Präfektur Gunma sowie Milch aus dem am weitesten vom Kraftwerk entfernten Teil von Fukushima dürfen nun wieder angeboten werden.

Ansturm auf Supermärkte

In zahlreichen Supermärkten in der Region gingen wegen eines Ansturms von Käufern nach dem jüngsten Beben Grundnahrungsmittel und Wasser aus, vielerorts wurde daraufhin die Menge der Einkäufe pro Person begrenzt. Auch an Tankstellen bildeten sich lange Schlangen.

Ein russisches Frachtflugzeug vom Typ Antonow AN-124 landete am Freitag in Atlanta in den USA, um eine 86 Tonnen schwere Riesenpumpe nach Japan zu bringen. Die umgebaute Betonpumpe soll dort zur Kühlung des havarierten Atomkraftwerks eingesetzt werden.

Die von Putzmeister America, einem Tochterunternehmen von Putzmeister aus Deutschland, gebaute Pumpe hat einen 60 Meter langen Auslegerarm und kann aus bis zu drei Kilometern ferngesteuert werden. So können auch bislang nur schwer zu erreichende Teile des AKWs Fukushima mit Wasser gekühlt werden.

China verbietet Lebensmitteleinfuhren aus zwölf Gebieten

Falls nötig, könnte die Pumpe auch eingesetzt werden, um das AKW einzubetonieren. Nach dem Atomunglück von Tschernobyl 1986 schickte Putzmeister elf Betonpumpen in die Ukraine. Die Pumpe aus Atlanta und eine weitere aus Los Angeles waren am Samstag auf dem Weg nach Japan.

China verbot unterdessen Lebensmitteleinfuhren aus zwölf Gebieten in der Nähe von Fukushima. Es handele sich um eine reine Vorsichtsmaßnahme, um zu verhindern, dass verstrahlte Lebensmittel ins Land gelangen, berichtete am Samstag die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua. Die Importe aus anderen Teilen Japans würden zudem auf Radioaktivität getestet. Aus Fukushima stammende radioaktive Spuren, wurden in vielen Teilen Chinas nachgewiesen.

Reaktorhersteller will AKW-Fukushima innerhalb von zehn Jahren abbauen

Der Reaktorhersteller Toshiba hat der japanischen Regierung einen Plan vorgelegt, um vier beschädigte Reaktoren des Unglückskraftwerks Fukushima 1 innerhalb von zehn Jahren abzubauen. Diese Zeit werde benötigt, „um Brennstäbe in den Behältern und verbrauchte Brennstäbe in den Abklingbecken der vier Reaktoren herauszuholen, mehrere Anlagen abzureißen und die Bodenbedingungen zu verbessern“, berichtete die Nachrichtenagentur Kyodo am Samstag. Der vorgeschlagene Zeitrahmen entspricht demnach nur zwei Dritteln der Zeit, die für den Abbau des US-Kraftwerks Three Mile Island nötig war, in dem es 1979 zu einer Kernschmelze gekommen war.

Toshiba ist neben Hitachi einer von zwei Reaktorherstellern in Japan. Das Unternehmen glaubt dem Bericht zufolge, von den Erfahrungen seiner US-Tochter Westinghouse Electric mit dem Abbau von Three Mile Island profitieren zu können. Es werde aber erwartet, dass Hitachi zusammen mit dem US-Konzern General Electric einen eigenen Vorschlag zum Abbau von Fukushima 1 einreichen werde, berichtete Kyodo. Am Freitag hatte Regierungssprecher Yukio Edano gesagt, es gebe bisher keinen klaren Zeitplan dafür. Dies liege auch in der Tatsache begründet, dass die Lage in den Reaktoren noch „instabil“ sei. Edano schloss dabei auch nicht aus, dass sich die Lage nochmals verschlimmern könne. (ap/afp)