Essen. . Wer die NRW-Landtagsabgeordneten von ihrer privaten Seite kennenlernen möchte, sollte sich bei Facebook durchklicken. Einige gehen dort recht freizügig mit Privatem um: Da zeigt sich auch schon mal ein Konservativer in Partypose.

Rund zwei Drittel der 181 NRW-Landtagsabgeordneten haben ein Facebook-Profil. Wer wissen möchte, was die Politiker in ihrem Privatleben machen, sollte sich dort mal umsehen.

Dabei drängt sich schnell der Eindruck auf, dass nicht jeder genau überlegt, bevor er ein Bild hochlädt. Marc Ratajczak (CDU) zum Beispiel geht eher freizügig mit Informationen aus seinem Leben um. Auf einem Foto ist zu sehen, wie er sich im Schaumbad vergnügt - immerhin noch mit einem T-Shirt bekleidet. Nicht gerade ein Motiv fürs Wahlplakat - für den 37-Jährigen aber wohl gut genug für die Facebook-Öffentlichkeit.

Auf dem folgenden Bild geht es seriöser zu, da strahlt der Abgeordnete (dann im Anzug) mit der Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen um die Wette. Doch es gibt noch mehr Privates: Der 37-jährige Ratajczak verheimlicht auch nicht, dass er eine Frohnatur ist und gern mal im Piratenkostüm Karneval feiert.

Sein Kollege Fritz Behrens beweist bei Facebook, dass er auch am Herd aktiv ist: Fotos zeigen ihn mit Schürze in der Küche. Eine Bildunterschrift klärt aber auf, dass der SPD-Politiker sich nicht für hungrige Gäste ins Zeug legt. Stattdessen brät er 100 Frikadellen, die am Wahlkampfstand verteilt werden.

Sollten sich Politiker auf Facebook von ihrer privaten Seite zeigen? Und wenn ja, wie privat darf es sein? „Ich glaube, dass es vielen noch gar nicht klar ist, vor welcher Öffentlichkeit sie da sprechen“, sagt der Politikwissenschaftler Christoph Bieber, der an der Universität Gießen zu politischer Kommunikation im Netz forscht. „Viele Politiker denken, das sei eine Art erweiterte Bürgersprechstunde. Das ist aber nicht so.“ Können nur die direkten Freunde die Pinnwand-Einträge lesen oder jeder? Interessieren sich nur die Parteikollegen für die Seite oder auch andere? Nicht jedem sei klar, wie die Kommunikation auf Facebook abläuft. „Im Moment ist man da sehr blauäugig und unerfahren“, stellt Bieber fest.

Auf den Profilbildern geben sich die Abegordneten eher brav

Was die Profilbilder der NRW-Abgeordneten betrifft, gibt es kaum Überraschendes, die meisten geben sich eher brav. Ein bisschen lockerer als im Landtag geht es zu, einige zeigen sich ohne Schlips und Kragen. Auch wenn er eine Krawatte trägt, sticht das Bild des SPD-Politikers Markus Töns hervor. Es ist einer Zigarettenschachtel nachempfunden ist, unter dem Gesicht des SPD-Abgeordneten prangt der Warnhinweis: Schwarz-Gelb gefährdet meine Gesundheit! Gegen das Rauchen hat sein Kollege Hans-Willi Körfges (SPD) wohl nichts einzuwenden: Auf seinem Profilbild sieht man, wie er sich eine Pfeife anzündet.

Bildungsministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) geizt auf ihrer Seite nicht mit Bildmaterial. Wer genau hinsieht, findet zwischen den knapp 400 Veranstaltungsfotos auch ein Bild von ihr und ihrem Freund Reiner Daams, ein Link führt zu seinem Profil.

Viele geben Auskunft über ihren Beziehungsstatus

Überhaupt geben viele Abgeordnete bei Facebook gern Auskunft über ihren Beziehungsstatus -zumindest diejenigen, die vergeben sind. Josefine Paul von den Grünen hat zum Beispiel ihren Status kürzlich auf „verheiratet“ geändert, prompt gab es auf der Pinnwand Glückwünsche. Einige berichten auch von ihren Freizeitaktivitäten. Monika Brunert-Jetter (CDU) verrät, dass sie gern Mozart, die Beatles und Alicia Keys hört, ihr Parteikollege Jörg Geerlings ist bekennender Simpsons-Liebhaber und Josef Neumann (SPD) mag den Sozialistischen Männerchor.

Doch es gibt auch die anderen Abgeordneten, die sich zugeknöpft geben. Wer nicht virtuell mit ihnen befreundet ist, kann keine Einträge lesen oder Fotos angucken. Außer der Freundesliste gibt’s dann nichts zu sehen.

Welche Informationen man preisgibt, solle man sich genau überlegen: „Es ist schwer, die Entscheidung wieder zurückzunehmen“, warnt der Politikwissenschaftler Bieber. „Dann wird etwas angeklickt und empfohlen - ein kleiner Ausrutscher kann schnell um die Welt gehen.“ Bieber sieht eine Facebook-Präsenz nicht als Pflichtprogramm für Politiker. „Das ist nur sinnvoll, wenn man sich auch vorher schon in sozialen Netzwerken bewegt hat.“

Ansonsten könne man sich zum Beispiel auf Stadt- oder Landesebene mit Parteifreunden zusammentun oder Facebook als „Kampagnen-Werkzeug“ nutzen. Wie das funktioniert, lasse sich gut bei den Pro- und Contra-Guttenberg-Seiten beobachten. Christoph Bieber ist davon überzeugt, dass soziale Netzwerke künftig häufiger auf diese Weise genutzt werden. „So kann man innerhalb kürzester Zeit viele mobilisieren.“

Die Aktualität mancher Seiten lässt zu wünschen übrig

Wer sich aber für eine personalisierte Seite entscheidet, müsse auf jeden Fall viel Zeit aufwenden, um sie zu pflegen. Das sich die nicht jeder nimmt, zeigt sich auch auf den Seiten der NRW-Abgeordneten. Während manche ständig vom iPhone etwas bei Facebook posten, lässt die Aktualität anderer Seiten zu wünschen übrig.

Bei einem Klick auf die Startseite des Essener CDU-Abgeordneten Manfred Kuhmichel findet sich unter der Rubrik „Über Manfred“ folgender Eintrag: „Am 22.05.2005 hat in Nordrhein-Westfalen eine beinahe historische Wahl stattgefunden: Die politische Wende in NRW ist erreicht. Nach 39 Jahren SPD-Herrschaft wurde das rote NRW-Imperium gestürzt und unser großer Südwahlkreis wieder direkt gewonnen! Herzlichen Dank allen, die mir dabei geholfen haben!“

Dann sollte man es vielleicht lieber gleich so machen wie die Landtags-Vizepräsidentin Carina Gödecke (SPD). „Mein Facebook-Profil wird von Jonathan Ströttchen betreut“, heißt es auf ihrer Seite. Der scheint seine Arbeit gut zu machen, Gödeckes Einträge sind aktuell.

Wie es aussieht, wenn man seine Seite überhaupt nicht pflegt, lässt sich anderswo beobachten. Der SPD-Abgeordnete Hubertus Kramer äußert sich auf seiner Pinnwand nicht selbst. Stattdessen beantworten andere Nutzer dort reihenweise Fragen über ihn wie „Würde Hubertus Kramer seine Frisur ändern, nur um jemanden zu beeindrucken?“