Militärische Gewalt muss das letzte Mittel sein – aber gegen Gaddafi ging es nicht anders. Deutschland hat sich mit seinem Nein zur UN-Resolution ins Abseits manövriert. Ein Kommentar.

Militärische Gewalt muss das letzte Mittel sein, die „Ultima Ratio“. Gerechte Kriege gibt es nicht, denn sie bringen immer Tod und Leid auch über Unschuldige. Aber es gibt Fälle, in denen Militäreinsätze gerechtfertigt sind. Gegen Gaddafi ging es nicht anders. Keine politische Drohung, kein wirtschaftlicher Druck, kein Embargo konnte den scheinbar irrsinnigen Diktator davon abhalten, seine Bürger abzuschlachten.

NATO greift Libyen an

Die NATO hat am Samstagnachmittag begonnen, Libyen aus der Luft anzugreifen.
Die NATO hat am Samstagnachmittag begonnen, Libyen aus der Luft anzugreifen. © REUTERS
Die NATO hat am Samstagnachmittag begonnen, Libyen aus der Luft anzugreifen.
Die NATO hat am Samstagnachmittag begonnen, Libyen aus der Luft anzugreifen. © AP
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Die NATO hat am Samstagnachmittag begonnen, Libyen aus der Luft anzugreifen.
Die NATO hat am Samstagnachmittag begonnen, Libyen aus der Luft anzugreifen. © AFP
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Die NATO hat am Samstagnachmittag begonnen, Libyen aus der Luft anzugreifen. © AP
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Mit seltener Einmütigkeit hat die Staatengemeinschaft entschieden, das libysche Volk vor seinem selbst ernannten „Führer“ zu schützen. Massive Luftschläge verhindern, dass der Despot weiterhin eine mutige Freiheitsbewegung massakriert. Hoffentlich kommen die Alliierten nicht zu spät.

Viel zu lange hat sich die Welt von Gaddafi terrorisieren lassen. In einer unappetitlichen Mischung aus Angst vor dem unberechenbaren Terror-Paten und Gier nach seinen Öl-Milliarden haben einige europäische Politiker gute Miene zum bösen Spiel gemacht. Allen voran „Bunga-Bunga“-Berlusconi und Frankreichs populistischer Präsident Sarkozy. Letzterer ist nun einer, der bei der Anti-Gaddafi-Front in erster Reihe kämpft, vermutlich um seine innenpolitische Position vor Wahlen zu stärken. Immerhin: Frankreich übernimmt Verantwortung, ebenso wie Großbritannien und die USA, selbst die Arabische Liga hat die Einrichtung einer Flugverbotszone gefordert.

Vom Zampano zum Zauderer

In Europa steht Deutschland jetzt im Abseits. Zwischen den Reden und Taten der Bundesregierung liegen Welten. Als es noch so schien, als ob in Libyen die Aufstände nach ägyptischem Vorbild verlaufen würden, war Mut billig, und Gaddafi wurde an der Interviewfront tapfer bekämpft. Kanzlerin und Außenminister forderten, Gaddafi müsse „ohne Wenn und Aber abtreten“. Besonders Guido Westerwelle betonte immer wieder, Deutschland stehe fest an der Seite der Freiheitsbewegung. Doch gerade der Liberalenchef wurde in Sachen Libyen vom großen Zampano zum Zauderer.

Muammar al Gaddafi

Auf den Straßen von Bengasi...
Auf den Straßen von Bengasi...
...feiern die Menschen den Einzug...
...feiern die Menschen den Einzug...
... der libyschen Rebellen nach Tripolis. Viele der feiernden Menschen...
... der libyschen Rebellen nach Tripolis. Viele der feiernden Menschen...
... dürften den gleichen Wunsch haben: Diese Männer bringen ihn mit einem selbst gemalten Plakat deutlich zur Geltung. 42 Jahre...
... dürften den gleichen Wunsch haben: Diese Männer bringen ihn mit einem selbst gemalten Plakat deutlich zur Geltung. 42 Jahre...
... Regierungszeit machten  Muammar al Gaddafi zu Afrikas dienstältestem Herrscher, er selbst nannte sich deshalb den
... Regierungszeit machten Muammar al Gaddafi zu Afrikas dienstältestem Herrscher, er selbst nannte sich deshalb den "König der afrikanischen Könige". Oberst Gaddafi, nach eigenen Worten 1942 in einem Beduinenstamm ... © AP/Sergei Grits
... in der Wüste nahe der Stadt Surt geboren, putschte sich im September 1969 unblutig an die Macht und rief wenige Jahre später den
... in der Wüste nahe der Stadt Surt geboren, putschte sich im September 1969 unblutig an die Macht und rief wenige Jahre später den "Staat der Massen" aus. Der regiert sich ... © AP/Francois Mori
... zumindest in der Theorie selbst und braucht folglich keinen Staatschef, weshalb Gaddafi sich nie so nennen ließ.
... zumindest in der Theorie selbst und braucht folglich keinen Staatschef, weshalb Gaddafi sich nie so nennen ließ. © REUTERS
Zu den harmlosen Sonderlichkeiten des Revolutionsführers gehört das berühmte Beduinenzelt, das er selbst zu Staatsbesuchen ins Ausland mitnimmt, weil er nicht in einem Haus schlafen mag. Eine weitere Schrulle ...
Zu den harmlosen Sonderlichkeiten des Revolutionsführers gehört das berühmte Beduinenzelt, das er selbst zu Staatsbesuchen ins Ausland mitnimmt, weil er nicht in einem Haus schlafen mag. Eine weitere Schrulle ... © REUTERS
... ist die frische Kamelmilch, auf die er morgens nicht verzichten mag, weshalb immer auch ein paar Kamelstuten mit ins Flugzeug müssen, wenn er auf Reisen geht.
... ist die frische Kamelmilch, auf die er morgens nicht verzichten mag, weshalb immer auch ein paar Kamelstuten mit ins Flugzeug müssen, wenn er auf Reisen geht. © REUTERS
Seine Herrschaft konnte Gaddafi aber nur mit eiserner Hand festigen. Politische Gegner wurden gnadenlos unterdrückt. Zugleich achtete er bei der Verteilung ...
Seine Herrschaft konnte Gaddafi aber nur mit eiserner Hand festigen. Politische Gegner wurden gnadenlos unterdrückt. Zugleich achtete er bei der Verteilung ... © REUTERS
... von Macht und Posten darauf, dass die komplizierte Stammesstruktur seines Landes nicht aus dem Gleichgewicht geriet. Ablehnung und Protest war Gaddafi daher während seiner Herrschaft bisher nur außerhalb seiner Heimat gewohnt.
... von Macht und Posten darauf, dass die komplizierte Stammesstruktur seines Landes nicht aus dem Gleichgewicht geriet. Ablehnung und Protest war Gaddafi daher während seiner Herrschaft bisher nur außerhalb seiner Heimat gewohnt. © REUTERS
Zum internationalen Paria wurde Gaddafi nach einer Serie von Anschlägen, die seinem Regime zugeschrieben wurden.
Zum internationalen Paria wurde Gaddafi nach einer Serie von Anschlägen, die seinem Regime zugeschrieben wurden. © REUTERS
Anfang der 90er Jahre verhängten die Vereinten Nationen ein Handelsembargo. Jahrelang hielt Gaddafi dem Druck stand, doch im Frühjahr 2003 entschädigte er dann die Opfer der beiden Flugzeuganschläge, ...
Anfang der 90er Jahre verhängten die Vereinten Nationen ein Handelsembargo. Jahrelang hielt Gaddafi dem Druck stand, doch im Frühjahr 2003 entschädigte er dann die Opfer der beiden Flugzeuganschläge, ... © REUTERS
... wenig später schwor er öffentlich seinem Rüstungsprogramm ab. Im darauffolgenden Jahr zahlte die Gaddafi-Stiftung auch Entschädigungen an die Opfer des La-Belle-Anschlags.
... wenig später schwor er öffentlich seinem Rüstungsprogramm ab. Im darauffolgenden Jahr zahlte die Gaddafi-Stiftung auch Entschädigungen an die Opfer des La-Belle-Anschlags. © AFP
Damit vollzog Gaddafi eine radikale Kehrtwende und streckte die Hand nach dem Westen aus. Libyen wurde wieder hoffähig, die UNO hob das Embargo auf. Internationale Konzerne standen ...
Damit vollzog Gaddafi eine radikale Kehrtwende und streckte die Hand nach dem Westen aus. Libyen wurde wieder hoffähig, die UNO hob das Embargo auf. Internationale Konzerne standen ... © REUTERS
... fortan in Tripolis Schlange, um Geschäfte mit dem viertgrößten afrikanischen Ölproduzenten einzufädeln. Die Europäer machten ihn zum Partner, um Flüchtlingsströme aus Afrika einzudämmen.
... fortan in Tripolis Schlange, um Geschäfte mit dem viertgrößten afrikanischen Ölproduzenten einzufädeln. Die Europäer machten ihn zum Partner, um Flüchtlingsströme aus Afrika einzudämmen. © REUTERS
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Als feststand, dass der skurril wirkende Oberst kein Operettendiktator, sondern ein brutaler Massenmörder ist, der in Hitler-Manier „verbrannte Erde“ anordnet, ging Deutschland auf Tauchstation. Es ist blamabel, dass unser Land bei der Entscheidung über die militärische Rettungsaktion für das von einem mörderischen „Führer“ bedrohte libysche Volk mit Russland und China, aber gegen unsere vorgeblich engsten Verbündeten, die USA und Frankreich, gestimmt hat. Gerade wegen der deutschen Geschichte steht es uns gut an, nicht mit „Hurra“ in jede Schlacht zu hetzen, aber wir müssen auch nicht feige sein, wenn es darum geht, Tyrannen zu stürzen.

Unser Außenminister hatte noch vor wenigen Wochen erstmals Profil gezeigt, als er seinen „Genscher-Moment“ in Kairo erlebte. Da stand er wirklich an der Seite der jungen Demokratie. Jetzt offenbart er, dass die Bundesregierung keine Strategie für die Krise in Arabien hat. Statt einer eindeutigen Unterstützung der UNO und der EU geht die Bundesregierung einen nationalen Sonderweg und setzt unseren Ruf als verlässlicher Bündnispartner aufs Spiel. Lob aus dem Ausland gibt es bislang nur von einer Seite. „Die Deutschen haben sich gut verhalten“, sagte Oberst Gaddafi.