Essen. . Zollbeamte stellten bei einem libanesisch-stämmigen Lebensmittelhändler 1,25 Tonnen Schmuggelware sicher. Der Wasserpfeifentabak wurde aus Ägypten, Syrien und dem Libanon eingeführt. Experten sprechen von einer „hochkriminellen Szene“.

Es begann als Routinekontrolle. Zollbeamte besuchten einen libanesisch-stämmigen Lebensmittelhändler. Sie ließen sich den Tabak zeigen, den er für Wasserpfeifen, sogenannte Shishas, verkauft, und kontrollierten die Steuerzeichen. Die Beamten brauchten sich gar nicht lange umzuschauen und entdeckten kleine unversteuerte Tabak-Portionen. Überhaupt: Der ziemlich zugestellte Verkaufsraum sah merkwürdig aus. Gar nicht so groß, wie das Gebäude von außen wirkte...

Ein Anruf beim Amtsgericht – und die Beamten erwirkten eine Durchsuchungsanordnung, sie forderten Verstärkung an und waren bald schlauer. Im Verkaufsraum war eine Wand eingezogen, dahinter entdeckten die Zollfahnder kartonweise unversteuerten Wasserpfeifentabak – alles in allem etwa 1,25 Tonnen, mutmaßlich eingeführt aus Ländern wie Ägypten, Syrien oder dem Libanon und mit teils kuriosen Aromen: Doppel-Apfel, Minze, Kokosnuss, Cola oder Cappuccino.

Für die Fahnder war das bereits der dritte dicke Fund binnen weniger Monate. „Das Ruhrgebiet ist eine Drehscheibe für geschmuggelten Wasserpfeifentabak“, sagt Micha Mellior vom Zollfahndungsamt Es­sen im Gespräch mit der NRZ. Erst im Dezember hatten der Zollamtsrat und seine Kollegen 900 Kilo entdeckt, im Januar dann 1,3 Tonnen und jetzt eben jene 1,25 Tonnen – alles immer in Läden entlang einer Hauptstraße im Stadtteil Altenessen.

Verteiler sitzen
im Ruhrgebiet

Den 25-jährigen Ladeninhaber, der am Montag Besuch von den Zollbeamten hatte, erwartet eine Geld-, möglicherweise eine Freiheitsstrafe. Den Steuerschaden schätzt Fahnder Mellior hier auf etwa 50 000 Euro. Funde wie dieser seien aber nur „Momentaufnahmen“: „Der Shisha-Tabak- Schmuggel ist ein echtes Problem“, sagt der erfahrene Ermittler. In Zollkreisen geht man davon aus, dass vier von fünf Wasserpfeifentabakportionen, die in Deutschland geraucht werden, Schmuggelware sind.

Das Geschäft liegt meist in den Händen von arabischen oder kurdischen Clans. In Containern kommt der ge­schmuggelte Tabak, manchmal auf dem Seeweg, manchmal per Lkw. Eine Zeit lang war Griechenland das Einfallstor nach Europa, später war es Ungarn. Und die Verteiler sitzen im Ruhrgebiet – in Essen etwa, im Duisburger Norden, in Gelsenkirchen-Ückendorf oder der Dortmunder Nordstadt. „Von hier aus geht das Zeug teilweise bis nach Hannover oder nach Koblenz“, berichtet Mellior.

Tabak als „arabische Marmelade“ ausgegeben

Zwischenhändlern winken Gewinnspannen von bis zu 100%. Bei solchen Renditen wundert es nicht, dass die Fahnder in der Vergangenheit neben Tabak auch Schusswaffen sichergestellt haben. „Die Szene ist hochkriminell“, sagt Ulrich Schulze, Sprecher des Zollfahndungsamtes Essen. „Wir haben es immer wieder mit Familien zu tun, die untereinander sehr gewalttätig sind“, berichtet Ermittler Mellior. Der innerfamiliäre Druck sei groß: „Wir hatten es mit Fällen zu tun, da hatten Täter fast keine andere Wahl, als mitzumachen“, so Mellior.

Die Essener Behörde hat die illegale Shisha-Szene seit einigen Jahren fest im Blick. An­fangs spekulierten die Täter noch darauf, dass sich die Beamten mit dem Shisha-Tabak nicht auskannten und präsentierten ihre Ware als „arabische Marmelade“: „Die Zeiten, in denen man uns mit solch blumigen Erklärungen täuschen konnte, sind aber lange vorbei“, sagt Mellior. Er und seine Kollegen beobachten Internetforen, besonders hilfreich sind bei den Ermittlungen immer wieder Hinweise aus der Bevölkerung.

In den Jahren 2006/2007 etwa kam die Behörde einer Bande auf die Spur, die mit 80 Tonnen Wasserpfeifentabak gehandelt hatte. Seither variieren die si­chergestellten Mengen aber sehr stark. 2008 waren es insgesamt 15,5 Tonnen. 2009 und 2010 waren es 1,4 und 1,7 Tonnen. „Die großen Unterschiede haben sicher auch damit zu tun, dass unsere Ermittlungen bei den Tätern Wirkung zeigen“, meint Behördensprecher Schulze.