Düsseldorf. . Das Land NRW bietet Japan-Rückkehrern jetzt an, sich kostenlos auf Strahlenbelastung untersuchen zu lassen. Vier Spezialgeräte gibt es dazu in NRW, unter anderem in Düsseldorf. Der Andrang dort wächst. Reisende sind besorgt, auch traumatisiert.
Der Computerausdruck, den Jill Schlaak in der Hand hält, flattert im Wind. Für die 24-jährige Ingenieurs-Studentin hat er das Gewicht eines Steins, der von ihrem Herzen fällt. „Befund“ steht auf dem Blatt und dann ein paar Zahlen. Strahlungswerte. Jill Schlaak war bis Dienstag in der Nähe von Tokio. Hals über Kopf hat sie Japan verlassen, aus Sorge vor der Atom-Katastrophe. Am Mittwoch war die Recklinghäuserin in Düsseldorf, nur Stunden nach ihrer Rückkunft– und hat dort zumindest etwas Beruhigendes erfahren: „Ich bin nicht radioaktiv verstrahlt“.
Für viele Japan-Rückkehrer ist die Gurlittstraße 55 im Stadtteil Bilk jetzt erste Anlaufstelle: Im Landesinstitut für Arbeit und Gesundheit (Liga) können sie ihre Strahlenbelastung untersuchen lassen. Kostenfrei. Das hat das NRW-Arbeitsministerium diese Woche verfügt. Die Regelung gilt für Rettungskräfte, aber auch für Privatreisende.
Gerät misst Belastung von Cobald 60, Cäsium 137 und Jod 131
„Wir haben schon Termine für die nächste Woche vergeben“, berichtet Dr. Winfried Lieberz, verantwortlich für die Strahlenmessung. Bei großem Andrang könne man bis zu 30 Personen pro Tag untersuchen. Bis dato haben sich 30 Personen angemeldet. Pro Tag will man acht untersuchen, sagt Lieberz: „Wir wollen uns Zeit für die Menschen nehmen, viele sind traumatisiert von den Ereignissen.“
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Das Spezialgerät für diese Untersuchungen – einen „Body-Counter“ – gibt es sonst in NRW nur noch an den Unikliniken in Köln und Essen und im Forschungszentrum Jülich; das Gerät der Uniklinik Münster ist derzeit nicht in Betrieb. Normalerweise wird Personal untersucht, das beruflich mit radioaktiven Stoffen zu tun hat, erklärt Lieberz.
Das Gerät des Liga liegt in einem gesonderten U-Boot-engen Raum im Keller. Er ist mit Blei und 15 Zentimeter dicken Stahlplatten aus einem britischen Weltkriegs-Schlachtschiff abgeschirmt. Lieberz: „Moderner Stahl ist mit Cobald 60 kontaminiert“, das verfälscht die Untersuchungsergebnisse. Zudem ist der Raum umringt von einem halben Meter Sand und Betonwänden.
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Drei Detektoren, die über und unter einer Liege angeordnet sind, spüren schon geringste Werte etwa von Kobalt 60, Cäsium 137 oder Jod 131 auf - Gamma-strahlende Radio-Nukleide, die man gut messen kann. Die Messungen bei Japan-Reisenden sieht Liebertz jedoch vor allem als „psychologische Hilfe“ an: „Besorgniserregende Befunde hatten wir bisher nicht.“
Kleidung leicht kontaminiert
Ein Pärchen aus Köln, das seine Namen nicht nennen möchte und seine Japan-Reise gerade abgebrochen hat, hat leicht erhöhte Werte an der Kleidung. Aber Lieberz beschwichtigt: „Keine Panik, das ist alles im ‚grünen Bereich’.“ Er empfiehlt die Sachen zu waschen; auch duschen sollten die beiden. „Das reicht in diesem Fall schon“, meint Lieberz.
Radioaktivität im Körper ist durchaus normal, sagt der Experte. „Es gibt eine natürliche Strahlung, auch in Deutschland“. Sie liege im Durchschnitt bei 2,4 Millisievert pro Jahr; zum Vergleich: Am havarierten Atomkraftwerk Fukushima wurden am Wochenende 400 Millisievert gemessen – in der Stunde. Für eine künstliche Stahlenbelastung gilt ein Grenzwert von einem Millisievert pro Jahr, erklärt Lieberz.
Neben Jill Schlaak atmet besonders ihr Freund Sebastian Sobetzko auf. Tag und Nacht hat der 25-Jährige seit der Tsunami-Katastrophe von Freitag von Deutschland aus die Meldungen verfolgt. „Am Sonntag habe ich dann Jill in Japan angerufen und gesagt ‚komm zurück’“. Die 24-Jährige, die Nano-Engineering in Duisburg studiert, war für ein Praktikum beim Tüv Rheinland in Yokohama.
Sorge um die Freunde in Japan
Sorge hat sie nach wie vor: „Um meine Freunde in Japan.“ Etwa 40 der zuletzt 70 Mitbewohner ihrer Groß-WG seien noch in der Stadt, berichtet Schlaak: „Sie gehen seit Tagen nicht mehr aus dem Haus“. Nun würden die Lebensmittel knapp. „Aber die Supermärkte sind leergekauft.“
Ihre Rückfahrt kam einer Odyssee gleich. Den Flug hatte Freund Sebastian von Deutschland aus organisiert. Für 1400 Euro war es fast noch ein Schnäppchen. Über Abu Dhabi ging es nach London, dann mit dem Zug unter dem Ärmelkanal bis Brüssel. Dort wurde Jill von ihren Eltern abgeholt.
Zurück nach Japan will die 24-Jährige unbedingt, „ich habe mich von den Leuten dort nicht verabschieden können“. Und ihre Sachen sind noch dort, sie ist nur mit den Nötigsten nach hause geflogen. Nach der Untersuchung war sie mit ihrem Freund aber erstmal in der Düsseldorfer Innenstadt. Japanisch essen.