Berlin. . Einen beschleunigten Umstieg auf erneuerbare Energien, aber keinen sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie kündigte Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrer von heftigen Protesten der Opposition begleiteten Regierungserklärung an.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will wegen der Atomkatastrophe in Japan den Umstieg auf erneuerbare Energien in Deutschland beschleunigen. Die drei Monate des Atom-Moratoriums sollten genutzt werden, „um die Energiewende voranzutreiben und wo immer möglich zu beschleunigen“, sagte die Kanzlerin am Donnerstag in ihrer Regierungserklärung vor dem Bundestag in Berlin.

Wenn deutsche Kernkraftwerke womöglich früher als eigentlich geplant vom Netz gehen müssten, müsse Deutschland auch „schneller zu einem System der Ernergieversorgung auf Grundlage der erneuerbaren Energien kommen“. Sie kündigte an, noch vor Ostern mit Interessengruppen und den Ministerpräsidenten der Länder darüber zu beraten. Dabei solle es vor allem um den Ausbau der Netze gehen.

Kein Abschaltgesetz

Merkel rechtfertigte zudem in einer immer wieder von empörten Zwischenrufen der Opposition unterbrochenen Rede ihre umstrittene Entscheidung, die Stilllegung der sieben ältesten Akw durch eine Anordnung nach dem Atomgesetz herbeizuführen. „Das ist die Anwendung des Atomgesetzes in einer neuen Lage“, sagte die Kanzlerin. Es handele sich keineswegs um einen „Deal“ mit der Atomindustrie. Sie verwahrte sich in scharfer Form gegen die Kritik der Opposition an diesem Verfahren. Den Vorwurf des „Rechtsbruchs“ halte sie für „nicht angemessen“, sagte die CDU-Politikerin und warf der Opposition „Niveaulosigkeit“ vor. „Ich finde, dass Ihre Art und Weise der Argumentation absolut respektlos ist“, fügte sie hinzu.

Merkel wies zugleich das Angebot der SPD zurück, in einem verkürzten parlamentarischen Verfahren ein Abschaltgesetz zu beschließen. Die Regierung handele bereits, somit sei dies nicht erforderlich. Die Kanzlerin betonte zugleich, dass die Regierung mit der Abschaltung der sieben ältesten Meiler über den Atomkonsens von Rot-Grün hinausgehe. Nach diesem hätte nur das Kernkraftwerk Neckarwestheim 1 abgeschaltet werden müssen, nicht aber die übrigen Meiler. „Was wir brauchen ist ein Ausstieg mit Augenmaß“, sagte Merkel. Deutschland müsse auch dem Klimaschutz gerecht werden. Zudem müsse Energie bezahlbar bleiben.

Kein Ausstieg bis 2022

Einen sofortigen Ausstieg aus der Atomkraft lehnte sie trotz der Katastrophe in Japan ab. „Wir wissen, wie sicher unsere Kernkraftwerke sind - sie gehören zu den weltweit sichersten“, sagte die CDU-Chefin am Donnerstag. Es sei nicht sinnvoll, in Deutschland die Kernkraftwerke abzuschalten und dann den Strom von anderen Ländern zu beziehen.

Die Kanzlerin lehnte auch eine Rückkehr zu dem von Rot-Grün beschlossenen stufenweisen Ausstieg bis 2022 ab. Zwar werde die Lage nach dem von ihr verkündeten dreimonatigen Moratorium der im Herbst beschlossenen Laufzeitverlängerung eine andere sein als jetzt. „Alles kommt auf den Prüfstand“, sagte Merkel. Doch werde sie auch anders sein als von Rot-Grün beschlossen. Deren Gesetz sei „nicht tragfähig“. Es gehe jetzt um einen beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien. Die Regierung werde dafür einen klaren Zeitplan vorlegen.

Nach dem Atomgesetz sei eine vorübergehende Abschaltung der Kernkraftwerke möglich, bis die Behörden sich Klarheit über die neue Lage geschaffen hätten. Ein Abschaltgesetz, wie es die SPD fordert, sei nicht nötig, sagte Merkel.

Krümmel bleibt stillgelegt

Nach dem schweren Erdbeben und der Atomkatastrophe in Japan hatte die Bundesregierung verkündet, dass die Sicherheit der deutschen Kraftwerke in den nächsten drei Monaten überprüft werden soll. Die sieben ältesten Meiler werden hierfür abgeschaltet. Der Reaktor Krümmel bleibt solange stillgelegt.

Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) betonte im Bundestag erneut die Sicherheit der deutschen Atomkraftwerke. „Ich bin der Überzeugung, dass wir jetzt schon die sichersten Kernkraftwerke haben“, sagte Kauder. Natürlich gebe es aber ein Restrisiko. Es müsse daher die Frage geklärt werden, wie weit man dies zu tragen bereit sei.

Das beschlossene Moratorium sei der richtige Weg, sagte Kauder. Eine gesetzliche Regelung zum jetzigen Zeitpunkt lehnte Kauder ab. Die „Denkpause“ sei nur dann sinnvoll, „wenn ich nicht zum Start schon weiß, was am Ende herauskommen soll“. Das sei keine Überprüfung, das sei die Fortsetzung von Ideologie.

Die Regierung stützt sich beim Moratorium auf eine Regelung im Atomgesetz, wonach die Aufsichtsbehörden der Länder eine einstweilige Stilllegung von Reaktoren anordnen können, etwa wenn Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sachgüter drohen. Die Opposition bezeichnet das Vorgehen als rechtlich fragwürdig. (dapd)