Berlin. . Die Bundesregierung will die Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke vorübergehend aussetzen. Angesichts der Reaktorkatastrophe in Japan werde es ein drei Monate dauerndes Moratorium geben. Die ältesten deutschen Atomkraftwerke müssten voraussichtlich sofort abgeschaltet werden.

Die Bundesregierung will die Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke vorübergehend aussetzen. Angesichts der Reaktorkatastrophe in Japan werde es ein drei Monate dauerndes Moratorium geben, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Montag in Berlin.

Die Sicherheit aller deutschen Atomkraftwerke müsse rückhaltlos und vorbehaltlos überprüft werden. „Alles gehört auf den Prüfstand“, sagte Merkel. Die ältesten deutschen Atomkraftwerke müssten bei dem von der Regierung geplanten Moratorium für die 2010 beschlossenen Laufzeitverlängerungen voraussichtlich sofort abgeschaltet werden. „Das wäre die Konsequenz“, sagte Merkel. Vizekanzler Guido Westerwelle (FDP) sagte, die Laufzeitverlängerungen sähen „keine Garantie für den Weiterbetrieb jedes einzelnen Kernkraftwerks“ vor.

Westerwelle hatte bereits am Morgen gesagt, er könne sich vorstellen, die im vergangenen Jahr beschlossene Verlängerung der Laufzeiten für deutsche Atomkraftwerke auszusetzen.

Einzelne deutsche Kraftwerke müssten abgeschaltet werden, wenn deren Kühlsysteme nicht mehrfach gesichert seien - und zwar so lange „bis die Lage völlig klar ist“. Die Sicherheit habe „oberste Priorität“ vor wirtschaftlichen Erwägungen. Westerwelle plädierte zudem für die Bildung einer Expertenkommission, die eine neue Risikoanalyse zur Atomkraft in Deutschland erstellen soll.

Aufgrund der Vorkommnisse der Japan sei eine „Nachdenkphase“ in punkto Atomkraft nötig, sagte auch CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe. Sie solle zu einer umfassenden Analyse der Atompolitik in Deutschland genutzt werden. Gröhe fügte hinzu, eine „umfassende Lernbereitschaft“ schließe auch ein, „dass wir nachsteuern müssen“. Die Details seien derzeit jedoch unklar.

Sachverständigenrat: Stromversorgung nicht gefährdet

Schwarz-Gelb hatte im vergangenen Jahr beschlossen, die Laufzeiten für deutsche Atomkraftwerke im Schnitt um zwölf Jahre zu verlängern. Das baden-württembergische Atomkraftwerke Nackarwestheim 1 ist das erste AKW, das davon betroffen war. Nach dem ursprünglichen Atomkonsens von Rot-Grün hätte es im Januar abgeschaltet werden sollen.

Nach Einschätzung des Sachverständigenrats für Umweltfragen (SRU) wäre die Grundversorgung mit Strom durch ein sofortiges Abschalten der sieben ältesten deutschen Kraftwerke nicht gefährdet. Deutschland habe in der jüngsten Vergangenheit sogar Strom exportiert. „Wir sind in einer derart komfortablen Situation, dass man sie sofort abschalten kann“, sagte der Generalsekretär des SRU, Christian Hey.

Opposition drängt auf schnelle Entscheidung

Die Opposition drängt auf eine schnelle Entscheidung. SPD-Chef Sigmar Gabriel forderte die sofortige Stilllegung der sieben ältesten Kraftwerke, darunter Neckarwestheim, Biblis A, Biblis B, und Unterweser, da sie den Sicherheitsanforderungen nicht entsprächen und auch nicht gegen Flugzeugabstürze gesichert seien. Zugleich warf er der Regierung Beschwichtigungsversuche vor. Das Moratorium sei ein Trick, der „leicht zu durchschauen“ sei, sagte er. Damit wolle Schwarz-Gelb sich lediglich über die anstehenden Landtagswahlen hinweg retten.

Auch Grünen-Chef Cem Özdemir klagte, es sei unklar, was mit dem Moratorium gemeint sei. Er forderte die Regierung auf, „Klartext zu reden“. Zudem plädierte er für einen schnellstmöglichen Ausstieg aus der Atomkraft. „Wir müssen bei dem Kraftwerk anfangen, dass nach dem rot-grünen Ausstiegsbeschluss schon vom Netz wäre, nämlich Neckarwestheim“, sagte er.

Die energiepolitische Sprecherin der Linksfraktion, Dorothée Menzner, plädierte ebenfalls für eine sofortige Abschaltung von Neckarwestheim I. Andernfalls seien die „atompolitischen Verrenkungen“ der Bundesregierung lediglich „das Auftragen weißer Salbe“.

Die Laufzeiten der deutschen Atomkraftwerke werden in dieser Woche auch Bundestag und Bundesrat beschäftigen. Gabriel kündigte an, dass die SPD gleich drei namentliche Abstimmungen zur Atompolitik im Parlament beantragen will. Auch die Grünen wollten nach Angaben ihres Fraktionschefs Jürgen Trittin einen Antrag zur Rücknahme der Laufzeiten vorlegen. Nordrhein-Westfalen wollte am Freitag im Bundesrat ebenfalls einen Entschließungsantrag einbringen, in dem die Rücknahme der Laufzeitverlängerung sowie die Stilllegung der Altkraftwerke gefordert wird. (dapd)