Essen. Sie leben in Bruchbuden und glauben, es sei ein Schloss. Bei der neuen VOX-Doku-Soap „Ab in die Ruine!“ gewähren fünf Paare und Familien Einblick in ihre renovierungsbedürftigen Wohnstätten. Mit dabei ist auch ein Paar aus Duisburg, das einen stillgelegten Bahnhof in sein neues Heim verwandeln will.
Sie hämmern, sie streichen und sie stopfen Glaswolle zwischen Dachsparren – und das alles natürlich so vollkommen ohne Plan, dass es einem richtigen Heimwerker schwarz vor den Augen werden kann. Drei Paare zeigen in der ersten Folge von „Ab in die Ruine“ (VOX, 8 Folgen, jeweils sonntags, 19.15 Uhr) wie sie aus einer Bruchbude einen Palast zaubern wollen. Ein weiteres TV-Format, das den Zuschauer durch Schadenfreude ans Sofa fesseln soll.
Bettina und Mario haben den alten Bahnhof in Dusiburg-Walsum erworben. Für schlappe 65.000 Euro. Jetzt träumen sie davon, wie sie aus den vergammelten 580 Quadratmetern ein Wohnparadies mit Kneipe im Keller machen wollen. Natürlich komplett in Eigenregie. Bislang ist das Schlafzimmer der einzige beheiz- und bewohnbare Raum. Dann entdeckt Mario, dass eine Zwischendecke vollkommen vermodert ist. Lustvoll prügelt der 50-Jährige Löcher ins Gebälk. Bettina steht unten und sieht vor lauter Staub nichts mehr. Dennoch murmelt sie ganz optimistisch: „Dat wird schon alles.“ Es sei eben ihr „Paradies“.
Optische eher wie ein Flüchtlingscamp
Auf den Außenstehenden wirkt dieses Paradies aber eher wie ein Flüchtlingscamp. Und irgendwo ganz tief drinnen ahnt sogar ein Laienhandwerker: Das wird doch nichts. Bettina und Mario haben sich überschätzt. Die Doku-Soap dient nur dazu, den beiden beim Scheitern zusehen zu können. Und genau deshalb funktionieren Doku-Soaps so gut. Denn der Mensch fühlt sich besser, wenn er Pechvögel sieht, wie jetzt in einer wissenschaftlichen Studie bewiesen wurde. Wir fühlen uns weniger miserabel, wenn wir sehen, dass es andere noch schlimmer getroffen hat.
Ob es die eigenen missratenen Kinder sind, der erdrückende Schuldenberg, der nicht ergatterte Ausbildungsplatz oder die verpatzte Selbstständigkeit – für jeden Lebensbereich haben die Fernsehmacher eine passende Versager-Show ins Leben gerufen. Und mal ehrlich: Die eigenen Nachkommen wirken nicht mehr ganz so verzogen, nachdem man die Supernanny geguckt hat, oder?
Detlef, der cholerische Pizzabäcker, ist schon aus der Garten-Doku „Ab ins Beet“ bekannt. Und auch bei seinem nächsten Projekt, dem Ausbau des Dachbodens, ist auf sein Gejammer Verlass. „Nein, ich möchte das nicht“, jault er, als seine Kumpels ihn dazu bringen wollen, das staubige Dämmmaterial zwischen die Dachsparren zu drücken. Denn Schmutz und Staub sind Detlef zutiefst zuwider. Lieber lässt er seine Kumpels die Drecksarbeit für ihn verrichten. Der Weg zum Traum vom Wohnzimmer unter dem Dach ist eben staubiger, als man denkt.
Immerhin: Die trauen sich was
Detlef und auch Jörg und seine Lucy, die ihr Hausboot im Hamburger Hafen wohntauglich machen wollen, sind in dieser Doku-Soap aber nicht nur Witzfiguren. Sie sind auch Vorbilder. Denn sie sind mutig. Viele Menschen träumen vielleicht davon, aus ihrer Parterre-Mietwohnung auszuziehen und den Rest ihres Lebens auf einem Hausboot zu verbringen. Oder in einem alten Bauernhof. Oder in einer ausgebauten Windmühle. Aber nur die Wenigsten trauen sich.
„Ab in die Ruine!“ mag vielleicht nur wie ein neuer Aspekt des wohlbekannten Versager- und Trash-TVs wirken. Und schon ertönen die Unkenrufe, die die Verblödung der Nation beklagen. Dabei kann eine solches Format viel mehr sein. Nämlich ein bisschen Balsam für die Otto-Normalverbraucher-Seele. Anderen geht es schlechter als mir, aber die trauen sich trotzdem was.