Düsseldorf/ München. . Die Rede des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan hat in Deutschland heftige Reaktionen ausgelöst. FDP-Chef Westerwelle fordert, dass junge Menschen zuerst deutsch sprechen, bevor sie türkisch lernen. Die CSU ist gänzlich empört über den Auftritt des Türken.
Bundesaußenminister Guido Westerwelle hat sich gegen Äußerungen des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan gewandt, türkische Kinder in Deutschland sollten zuerst ihre Muttersprache lernen. „Die Kinder, die in Deutschland groß werden, müssen zu allererst Deutsch lernen“, sagte Westerwelle am Montag in Berlin. Ohne die deutsche Sprache kämen sie in der Schule nicht mit und hätten später schlechtere Chancen als andere. „Die deutsche Sprache ist für die, die in Deutschland groß werden, der Schlüssel zur Integration“, fügte der FDP-Chef hinzu.
Erdogan hatte am Sonntagabend in einer Rede vor rund 10.000 Zuhörern in Düsseldorf seine Landsleute zur Integration aufgerufen. Zugleich hatte er sich erneut gegen Assimilation gewandt und betont, das Recht der Minderheiten dürfe nicht ignoriert werden. Niemand werde in der Lage sein, die Türken von ihrer Kultur loszureißen. „Unsere Kinder müssen Deutsch lernen, aber sie müssen erst Türkisch lernen“, sagte er.
CSU fordert Einbestellung des Botschafters
Die CSU fordert die Einbestellung des türkischen Botschafters in Deutschland wegen der Rede von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan in Düsseldorf. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt sagte am Montag in München, Erdogan habe die Türkei als Schutzmacht sowohl für die in Libyen als auch für die in Deutschland lebenden Türken bezeichnet. Dieser Vergleich von Libyen und Deutschland sei unzulässig.
Dobrindt kritisierte ferner, der Auftritt von Erdogan am Sonntag habe die Integrationsbemühungen um Jahre zurückgeworfen. Es sei ein „bemerkenswerter Vorgang“, wenn ein ausländischer Regierungschef den Besuch in Deutschland dazu nutze, seine hier lebenden Landleute „aufzuwiegeln“.
Dobrindt lehnt EU-Beitritt der Türkei ab
Dobrindt lehnte zugleich einen EU-Beitritt der Türkei strikt ab. Auch die Bürger wüssten, dass dieser Schritt eine Überforderung der Europäischen Union bedeuten würde. Man sei nicht bereit, auch noch „die Schulden der Türkei zu übernehmen“.
Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoganhat türkischstämmige Bürger vor rund 10.000 Menschen in Düsseldorfaufgefordert, sich in Deutschland zu integrieren und die deutsche Sprache zu lernen. Eine „Assimilation“ lehnte er aber wie vor drei Jahren bei seiner Rede in Köln ab. Niemand dürfe eine Minderheit aus ihrer Kultur herausreißen. Erdoganbezeichnete die Islamophobie und den Antisemitismus in einem Atemzug als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“. Er forderte die deutsche Politik auf, entscheiden gegen Ausländerfeindlichkeit vorzugehen. Der Politiker, der am Montag mit Angela Merkel sprechen will, hat außerdem angekündigt, die „Blaue Karte“, die ehemaligen türkischen Staatsbürgern Privilegien in der Türkei sichert, erheblich aufzuwerten und einem Personalausweis gleichzusetzen.
„Die Türkei wird Euch nie im Stich lassen“
Es war die ganz große Show, und es gab nur einen Star: Recep Tayyip Erdogan. Der türkische Ministerpräsident ließ sich gestern in Düsseldorf von über 10000 Anhängern feiern. Seine Botschaft an die im Ausland lebenden Landsleute: Seid stolz auf Eure Leistung und auf die Heimat: „Die Türkei wird Euch nie im Stich lassen.“ Erdogan lässt sein Publikum lange warten, und er bringt zunächst eine schlimme Nachricht mit: Die vom Tod seines politischen Ziehvaters Necmettin Erbakan.
Danach streichelt Erdogan die Seele der Türkischstämmigen. Sie seien 50 Jahre nach der Emigration keine Gastarbeiter mehr, auch keine „Deutschländer“, sondern hätten es mit Fleiß und Intelligenz weit gebracht: „Ihr seid Fußballspieler, Ingenieure, Geschäftsleute“, ruft er denen entgegen, die sich in den letzten Monaten zu oft und zu hart von der deutschen Gesellschaft kritisiert fühlten. Sie lieben und feiern ihn dafür, sie schwenken türkische und auch einige deutsche Fahnen.
„Wir sind extra aus Belgien mit dem Auto angereist, um unseren Ministerpräsidenten zu sehen“, sagt Cemal Uslucan, der es kaum fassen kann Erdogan live erleben zu können. Der türkische Premier bekommt bei den Zuhörern in Düsseldorf immer wieder frenetischen Applaus und viel Zustimmung. Niyazi Demir ist mit vier Freunden aus Bremen angereist und zufrieden mit Erdogans Rede: „Erdogan und die AKP tun der Türkei gut, sowohl aus wirtschaftlicher Sicht, als auch was das Selbstbewusstsein der Türken in der ganzen Welt angeht.“ Das wird auch immer wieder an den Reaktionen des Publikums deutlich. „Die Türkei ist stolz auf dich“, skandieren die rund 10000 AKP-nahen Türken im Saal.
Besucher feiern Erdogan wie einen Popstar
Dass zur großen Inszenierung Erdogans als treusorgender Staatsvater aller Türken, vor allem Personen in den Saal gekommen sind, die der Linie seiner Partei treu sind, wird beim Blick ins Publikum klar. In den Gängen des großen Veranstaltungssaals tummeln sich Menschen aus dem konservativen Wählerlager mit kleinen AKP-Fähnchen. Die Menschen feiern Erdogan wie einen Popstar und er weiß genau, wie er die Herzen seiner Fans für sich gewinnt: „Ich bin sehr stolz auf euch und wir sind immer für euch da. Wenn einer unserer Brüder und Schwestern Nasenbluten hat, dann tut es allen Türken auf allen fünf Kontinenten weh. Die Türkei ist stark und dadurch werdet auch ihr immer stärker.“ Das Publikum hält es nicht mehr auf den Sitzen.
Erdogan ist bemüht, auf deutscher Seite kein Porzellan zu zerschlagen. Seine Kritik bleibt leise und subtil: „Jeder hat das Recht, seinen Glauben zu leben“, sagt er. Und: „Unsere Kinder müssen gut Deutsch lernen, aber sie müssen zuerst gut Türkisch lernen.“ Über das strittige Thema EU-Beitritt verliert der Politiker in der Mehrzweckhalle „Dome“ kein Wort. Aber er redet von Menschenrechten, die die Tükei überall auf der Welt achte und verteidige. Türkischstämmige Bürger in Deutschland sollen es bald leichter haben, vor Deutschland aus an türkischen Wahlen teilzunehmen. Darüber will Erdogan heute mit der Kanzlerin reden. Er selbst hat ein großes Interessse daran, denn im Sommer stehen die Parlamentswahlen an.
"Wir beschützen Euch überall auf der Welt"
Und Erdogan lobt die moderne Türkei, das Wirtschaftswunder dort, die Verwandlung des armen Landes in ein reiches, starkes und in aller Welt geachtetes Mitglied der Völkergemeinschaft. Diesen Respekt hätten auch die Türken im Ausland verdient. „Ihr seid Brüder und Schwestern ersten Grades. Wir beschützen Euch überall auf der Welt.“ Auch in Deutschland.
Die Türkei sei auf dem Weg zur „zehngrößten Wirtschaftsnation der Welt“, unterstreicht Erdogan. Soll heißen: An uns kommt keiner mehr vorbei. Das neue Selbstbewusstsein dokumentiert auch ein Videofilm, der schon Stunden vor Erdogans Rede in der Halle zu sehen ist: Der Ministerpräsident im Gespräch mit Obama, Sarkozy, Putin, Barroso, sogar mit Ahmadinedschad. Und natürlich auch mit Merkel. Fortsetzung folgt schon am Montag. (mit dapd)