Essen. . Das Verwirrspiel um die Warnstreiks bei der Bahn, die Montag beginnen sollten, aber dann noch nicht stattfanden, sorgt für heftige Kritik – sowohl vom Fahrgastverband „Pro Bahn“ als auch vom Vorstand der Deutschen Bahn.
Karl-Peter Naumann, Bundesvorsitzender des Fahrgastverbandes „Pro Bahn“ findet scharfe Worte: „Die Gewerkschaft GDL bestreikt die Kunden. Kein Wunder, dass sie sich als Geiseln fühlen“, sagte er zu DerWesten. Die GDL könne sich ein Beispiel an Arbeitskampf-Formen aus dem Ausland nehmen, die mehr die Unternehmen als die Kunden treffen. Naumann: „Man kann doch Fahrkarten-Automaten abschalten, Reisecenter schließen und die Schaffner auffordern, in den Zügen nicht mehr zu kontrollieren.“
Pro Bahn fordert die GDL auf, „über ihren Schatten zu springen“ und in den laufenden Tarifverhandlungen mit der Schwestergewerkschaft EVG an einem Strang zu ziehen. „Wir fragen uns, warum die Arbeitnehmerseite kein einheitlicher Block ist“, so Naumann. Aus Kundensicht sei es durchaus zu begrüßen, dass auch für Lokführer das Prinzip „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ gelte. Der Pro-Bahn-Chef: „Ein schlecht bezahlter Lokführer hat keine Motivation.“
„Verunsicherung der Öffentlichkeit“
Sowohl die Deutsche Bahn (DB) als auch die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG warfen der GDL vor, ihr Recht auf Arbeitskampf zu missbrauchen und Bahnkunden durch eine verwirrende Informationspolitik unnötig zu belasten. „Das Versteckspiel der GDL schadet den Reisenden zusätzlich und sorgt für eine völlig unnötige Verunsicherung der Öffentlichkeit“, sagte DB-Personalvorstand Ulrich Weber in Berlin.
Die Lokführer-Gewerkschaft hatte Streiks ab Wochenbeginn angedroht. Die Arbeitskämpfe sollten nach Angaben von GDL-Chef Claus Weselsky zunächst nicht länger als drei Stunden dauern. Über Ort und Zeit wollte die Gewerkschaft rechtzeitig informieren, im besten Fall zwölf Stunden vor Beginn. GDL-Sprecherin Gerda Seibert sagte am Montagmittag, dass bislang noch kein Beschluss getroffen worden sei. Sollten die Lokführer am Dienstagmorgen zu Streiks aufgerufen werden, informiere die Gewerkschaft die Öffentlichkeit darüber noch am Montag.
26 000 Lokführer betroffen
Weber reagierte mit Unverständnis auf dieses Vorgehen: „Die GDL führt die Kunden an der Nase herum“, sagte der Bahn-Personalvorstand. Die Gewerkschaft habe zugesagt, die Kunden rechtzeitig zu informieren, zunächst Warnstreiks ab Montag angekündigt und dann alle im Unklaren gelassen.
Mit Warnstreiks würde die GDL ausgerechnet den Konzern bestreiken, der ihr Kernanliegen bisher unterstütze, erklärte Weber weiter. Die GDL verlangt für alle 26 000 Lokführer im Nah-, Fern- und Güterverkehr in Deutschland ein einheitliches Lohnniveau und Beschäftigungsbedingungen, die dem DB-Standard entsprechen. Das Ergebnis will sie in einem sogenannten Bundesrahmen-Lokomotivführertarifvertrag festschreiben. Einen Anschluss an den kürzlich zwischen DB, den sechs Privatbahnen Abellio, Arriva, Benex, Keolis, Veolia und Hessische Landesbahn und EVG unterzeichneten Branchentarifvertrag lehnt die GDL ab.
„Absurd und willkürlich“
Weber nannte die geplanten Streikmaßnahmen vor diesem Hintergrund „absurd und willkürlich“. Die Gewerkschaft wolle die Standards der DB zum Standard für alle Lokführer in Deutschland machen. „Und um das zu erreichen, will die GDL die DB und ihre Kunden bestreiken? Das ist widersinnig“, sagte der Bahn-Personalchef.
Er verwies darauf, dass nahezu alle Forderungen der GDL zum Flächentarifvertrag in den Verhandlungen zwischen DB und GDL erfüllt worden seien und eine Einigung nahe sei. Es liege nun an der GDL, sich zu entscheiden: „Wollen sie den Streik um des Streiks willen oder gute Lösungen für alle Lokomotivführer?“, sagte Weber. (mit dapd)