Essen. . Mit „Unser Song für Deutschland“ führt Stefan Raab sein Verwertungsimperium zu einem absurden Höhepunkt – während der Lena-Kult langsam ins Unheimliche driftet.

In der Panne liegt die Wahrheit. Diese Erkenntnis verdanken wir Matthias Opdenhövel. Als Co-Moderator von „Unser Song für Deutschland“ verwechselte er gestern ein Sponsorenprodukt mit dem der Konkurrenz. Das kann passieren. Interessant war nur die Begründung. „Ich muss den Text von ‚Schlag den Raab’ aus dem Kopf kriegen.“ Es war ein bezeichnender Moment: Opdenhövel hatte vergessen, in welcher Sendung er war.

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Als Zuschauer geht es einem da ähnlich. Eigentlich müssten TV-Zeitschriften langsam neue Kategorien einführen: „Irgendwas mit Raab“ oder „Irgendwas mit Lena“ (wenn das nicht meist dasselbe wäre). Die Titanic hatte neulich eine ähnliche Idee. Unter der Überschrift „Programmhinweis“ schlug die Satirezeitschrift neue Namen für Pro-7-Sendungen vor, darunter „Galilena“, „Two and a Half Meyer“ und „Lena Total“.

Man sagt es nicht gern, aber der Personenkult um Deutschlands Grand-Prix-Gewinnerin bekommt langsam nordkoreanische Züge. Siehe „Unser Song für Deutschland“. Manchmal fragt man sich, wie die Programmplanung von Pro 7 oder ARD reagiert hätte, wenn man vor zehn Jahren ein solches Format vorgeschlagen hätte: einen Songwettbewerb, in dem drei Folgen à zwei Stunden insgesamt 18 Mal dieselbe Person zur „Wahl“ steht.

So spannend wie Tischtennis mit Chinesen

Unterschiedliche Komponisten hin oder her – „Unser Song für Deutschland“ ist ungefähr so spannend wie Olympiaschwimmen mit Michael Phelps oder Tischtennis mit Chinesen. Faszinierend ist eigentlich nur, wie Stefan Raabs Verwertungsimperium hier an seinen selbstreferenziellen Endpunkt kommt. Er tritt in der dreifachen Rolle von Produzent, Komponist und Jurymitglied auf, die Band stammt aus TV Total, der Sprecher des Off-Kommentars ebenfalls, Opdenhövel kennt man aus „Schlag den Raab“ und Lena Meyer-Landrut aus allem zusammen.

Bleiben als einziges Überraschungselement die Studiogäste, in diesem Fall Sängerin Joy Denalane sowie Anke Engelke. Zusammen mit Raab hatten sie die Aufgabe, den künstlerischen Gehalt der jeweiligen Songs zu bewerten. Die Grundregel der Diskussion schien darin zu bestehen, die Formulierung „Ich finde, ...“ mindestens fünfmal pro Minute zu benutzen. Das klang dann ungefähr so:

Landrut: „Also, ich find den Song klasse.“

Denalane: „Ich find, die Hook ist besser als die Bridge.“

Raab: „Ich find die Range der Instrumente ungewöhnlich.“

„Push Forward“ war der beste Song

Bei all den Befindlichkeitsmeldungen wünschte man sich als Zuschauer genau den Vorspulknopf, von dem der beste Songs des Abends handelte. Es war „Push Forward“, die Komposition von zwei Berliner Nachwuchsmusikern. Die beiden waren nicht die einzigen talentierten Songwriter. Mit Aloe Blacc („I Need a Dollar“) hatte Raab sogar einen angesagten Soulsänger auf der Liste. An der Songqualität haperte es denn auch selten. Im Vergleich zur Siegel-Ära hat sich einiges getan, soviel muss man „Unser Song für Deutschland“ lassen.

Und doch – dass Nachwuchskomponisten wie das Berliner Duo in der Endrunde eine Chance haben, ist unwahrscheinlich. Immerhin hat Raab noch zwei Eigenkompositionen im Rennen. Es bleibt in der Familie. So oder so.