Berlin. . Nach einer DGB-Studie verdienen Leiharbeiter in Deutschland immer weniger. Demnach kommt lediglich eine Minderheit auf monatlich mehr als 2.000 Euro brutto. Nötig sei die Gleichbehandlung von Leiharbeitnehmern und gleiche Bezahlung ab dem ersten Tag.
Die Gewerkschaften fordern mehr finanzielle Sicherheit am Arbeitsmarkt. Nach der Veröffentlichung der Januar-Arbeitsmarktdaten hatte der DGB erklärt, dass unbefristete sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zunehmend von unsicheren Arbeitsverhältnissen, insbesondere Leiharbeit, verdrängt werde. Nötig sei deswegen die Gleichbehandlung von Leiharbeitnehmern und „Equal Pay ab dem ersten Tag“.
Nach einer DGB-Untersuchung verdienen Leiharbeiter in Deutschland immer weniger. Demnach kommt lediglich eine kleine Minderheit der Leiharbeiter auf monatlich mehr als 2.000 Euro brutto. In der gesamten Wirtschaft gelte dies dagegen für gut 70 Prozent der Vollzeitbeschäftigten. Nach der Studie, die auf Daten der Bundesagentur für Arbeit beruhe, hätten Arbeitskräfte in der Verleihbranche in den alten Bundesländern 2009 durchschnittlich monatlich 1.456 Euro brutto erhalten, einschließlich Urlaubs- und Weihnachtsgeld. In Ostdeutschland habe der Verdienst sogar nur 1.124 Euro betragen. Mehr als zehn Prozent im Westen und gut 20 Prozent im Osten hätten trotz Vollzeitjobs sogar weniger als 1.000 Euro brutto im Monat verdient. In Deutschland gibt es laut Zeitung derzeit mehr als 900.000 Leiharbeiter.
Branche mit größtem Hartz-IV-Risiko
Die prekäre finanzielle Situation von vielen Leiharbeitskräften führt dazu, dass viele von ihnen trotz Erwerbstätigkeit nicht einmal das gesellschaftliche Existenzminimum sichern können. Sie zahlen von ihrem sozialversicherten Job zwar Sozialabgaben, können von ihrer Arbeit aber nicht leben und sind auf ergänzende staatliche Fürsorgeleistungen angewiesen. Mitte 2010 wurden gut 92.000 Leiharbeitskräfte gezählt, die trotz sozialversichertem Job noch auf Hartz IV angewiesen waren. Im Unterschied zur Analyse des Bruttoarbeitsentgelts sind hier neben den Vollzeitbeschäftigten auch jene mit einem sozialversicherten Teilzeitjob einbezogen. Dies waren immerhin 13,1 Prozent aller sozialversicherten Leiharbeitskräfte, wo über Hartz IV-Leistungen aufgestockt werden mussten. Über alle Branchen hinweg waren demgegenüber 2, 7 Prozent aller sozialversichert Beschäftigten auf Hartz IV angewiesen. Das Verarmungsrisiko der erwerbstätigen Leiharbeitskräfte ist damit vier bis fünf Mal größer als in der Gesamtwirtschaft. In keiner anderen Branche ist das Risiko der Hartz IV-Bedürftigkeit so groß wie im Verleihgewerbe.
Von Mitte 2009 bis Mitte 2010 hat sich die Zahl der auf Hartz IV angewiesenen Leiharbeitskräfte rasant erhöht. Sie stieg innerhalb eines Jahres um rund 35.000, bzw. 60 % und damit fast doppelt so stark wie die sozialversicherte Beschäftigung insgesamt. Das Verarmungsrisiko hat sich auch bei anziehender Beschäftigung deutlich erhöht.
„Rolle rückwärts“
Dagegen betonen die Arbeitgeber, die gleiche Bezahlung von Zeitarbeitern hätte dramatische Folgen für den Arbeitsmarkt. Sie würde Beschäftigungschancen vernichten, sagte der Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, der „Welt am Sonntag“. Laut einer Untersuchung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) verdienen Leiharbeitskräfte mit einem Vollzeitjob im Durchschnitt nur etwa halb so viel wie Vollzeit-Beschäftigte in der Wirtschaft insgesamt.
Die Hartz-IV-Verhandlungen zwischen Bund und Ländern treten wegen der Frage auf der Stelle. SPD und Grüne wollen der Reform im Bundesrat nur zustimmen, wenn Zeitarbeiter bereits nach vier Wochen die gleichen Stundenlöhne erhalten wie fest angestellte Kräfte. Union und FDP wollen die Equal-Pay-Regel dagegen erst nach neun Monaten zulassen.
„Mit der Öffnung des Arbeitsmarktes durch die Zeitarbeit haben wir es erstmals geschafft, wieder Menschen in Arbeit zu integrieren, die vorher draußen standen“, sagte Hüther. Der Ökonom spricht von einer „dramatischen Rolle rückwärts“, die Equal-Pay-Pläne seien katastrophal und unverantwortlich: „So vernichtet man Beschäftigungschancen.“ Zeitarbeit sei auch ein Instrument, die Stammbelegschaften zu stabilisieren. „Wir haben hier keinen flexiblen Kündigungsschutz wie in Dänemark“, sagte Hüther. „Doch irgendwie muss das System atmen können.“
Warnung vor einstürzender Beschäftigungsbrücke
Zuvor hatte auch Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt vor „deutlichen Bremsspuren am Arbeitsmarkt“ gewarnt, sollte das Equal-Pay-Prinzip eingeführt werden. „Es würde in erster Linie die Schwächsten am Arbeitsmarkt treffen, nämlich Langzeitarbeitslose und Geringqualifizierte“, sagte Hundt. Die Zeitarbeit hatte einen großen Anteil an der positiven Arbeitsmarktentwicklung nach der Finanz- und Wirtschaftskrise: Von den Jobs, die seit der Krise geschaffen wurden, entfiel laut Bundesagentur für Arbeit jeder zweite auf die Zeitarbeitsbranche.
Auch Wirtschaftspolitiker der Union und Zeitarbeitsfirmen warnen vor massiven Jobverlusten in der Branche, sollten künftig Leiharbeiter bereits nach wenigen Wochen den gleichen Lohn wie die Stammbelegschaften erhalten. „Ich sehe Zehntausende Arbeitsplätze bedroht“, sagte Unions-Fraktionsvize Michael Fuchs der in Düsseldorf erscheinenden „Rheinischen Post“ (Samstagausgabe). „Die Gefahr ist sehr groß, dass die Brücke in eine dauerhafte Beschäftigung über die Zeitarbeit für 270.000 Hilfskräfte durch falsche gesetzliche Weichenstellungen einstürzt“, warnte auch Werner Stolz, Hauptgeschäftsführer des Interessenverbands Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (IGZ). Zuvor hatte schon der Präsident des Bundesverbands Zeitarbeit (BZA), Volker Enkerts, vor einer Equal-Pay-Regelung gewarnt. Laut Enkerts ist die Branche allein 2010 um 27 Prozent gewachsen. (dapd)