Grefrath. . Grefrath trauert um Mirco: In einem ökumenischen Gottesdienst gedachten Hunderte vor und in der St. Laurentius-Kirche des getöteten Jungen. Besonderer Moment: Ein Brief der Eltern.
So werden die Menschen Mirco in Erinnerung behalten: mit diesem freundlich-frechen Blick unter dem blonden Stoppelschnitt, das T-Shirt vom Wind gerafft und in seinem Rücken das Meer. Diesen Zehnjährigen, der es nicht gut leiden konnte, wenn er fotografiert wurde, und dessen Bild nun jeder kennt. Das jetzt auch wieder dort steht, neben dem Altar der Kirche, in der Grefrath Abschied nimmt; Mirco auf Leinwand, größer als er werden durfte.
Mehr als 1000 müssen es sein, Alte, Junge, viele Kinder, 600 sitzen in St. Laurentius, der Rest muss stehen wie die draußen vor der großen Leinwand. Sie kommen auch aus den umliegenden Dörfern und dann immer vorbei an diesem Plakat, mit dem die Soko Zeugen suchte und auf dem sie nun dankt „für die tatkräftige Unterstützung“. Viele fahren mit dem Rad durch die Dunkelheit herbei, wie damals Mirco durch die Dunkelheit radelte, genau an diesem Tag vor fünf Monaten. Und als die Turmuhr am Marktplatz das Abendlied spielt, „Morgen früh, wenn Gott will, wirst du wieder geweckt“, da lassen sie weiße Luftballons in den Himmel steigen: „Ruhe in Frieden“, steht darauf.
„Seine Stimme werden wir nicht mehr hören“
Es erscheinen auch der Landrat und eine Ministerin, „ob das so sein muss?“, murmelt ein älterer Mann in der Kirche, „die kannten den doch gar nicht“. Aber da sind viele, die Mirco nicht persönlich kannten, wie etwa vom Schlittschuhlaufen oder aus der Schule die 6a vorn am Altar. Die mitgefühlt haben, mitgezittert, mitgesucht und die sich jetzt an den Händen halten, die beten für Mirco, seine Familie, für die Soko und auch für die Angehörigen des Täters und dabei leise weinen.
Mancher hat am 9. September schon einmal hier gestanden, damals haben sie gebetet für einen Vermissten, „wir wollten es nicht annehmen“, sagt Dekan Johannes Quadflieg. Aber nun wissen sie, es war damals schon wie heute: „Mirco ist tot.“ Der Satz hallt schmerzhaft nach in der großen Kirche, „seine Stimme“ aber „werden wir nicht mehr hören“, sagt Quadflieg, und so suchen die Pfarrer Worte für das Gefühl, das diese Gewissheit macht: Von Trauer ist die Rede, von Schock, Angst, Wut auch und Enttäuschung. „Mit Mircos Tod haben wir die Verletzlichkeit des Lebens erfahren“, sagt Pfarrer Roman Siewert in seiner Predigt, und die Eltern, dass sie ihre Kinder nicht schützen können. „Ich versteh dich nicht“, klagt eine Solosängerin in einem Lied an Gott – und die Geistlichen suchen Trost in Jesus, der die Angst überwand. Mirco, der kleine Pfadfinder, hat doch auch an ihn geglaubt!
Bewegender Brief der Eltern
Und dann ist es umgekehrt, sind es die trauernden Eltern, die die Gemeinde trösten. Denn Siewert, Präses des Bundes Freikirchlicher Gemeinden und enger Freund der Familie, verliest einen Brief der Schlitters an die Bürger von Grefrath, geschrieben an einem geheimgehaltenen Ort, an dem sie zurzeit Ruhe suchen. Sie erzählen darin ein wenig von Mirco, der „einfach top“ war, „freiheitsliebend“ und „eigensinnig“, der ein „Clown“ war und „unsere Sportskanone“, der das Radfahren liebte und vor allem die Gerechtigkeit! „Wenn er groß ist, wollte er Bauer werden.“
Der Pfarrer hat ein buntes Plakat mitgebracht, gemalt von den Geschwistern für die Mitschüler, es ist ein Bild des Dankes. Und auch die Eltern danken in ihrem Brief den Grefrathern, äußern Verständnis dafür, dass Menschen nicht wussten, was tun, was sagen, aber „wir haben uns nie allein gelassen gefühlt“. Vielmehr seien auch neue Kontakte entstanden. Nur: „Unser Sonnenschein kommt nicht wieder.“ Aber wir freuen uns, Mirco im Himmel wiederzusehen.“