Oschensleben. . Zwei Tage nach dem Zugunglück in Hordorf in Sachsen-Anhalt gehen die Aufräumarbeiten am Bahndamm zügig voran. Auf allen anderen Gebieten jedoch beginnen sie gerade erst. Polizeilich. Juristisch. Technisch. Und innerlich sowieso.

Samstag war das noch ein Zug, Sonntag dann ein Wrack, und heute ist es nur noch ein Häufchen Elend. Sitze und Verkleidung, Radsätze und Achsen, alles völlig verbogen und verformt, hat ein Bagger aufgehäuft auf dem gefrorenen Acker neben dem Bahndamm bei Hordorf; nun schaufelt er die schuldlosen Trümmer der Regionalbahn „Georg Friedrich Händel“ in einen blauen Schrottcontainer. Tieflader bringen ihn nachher in ein Bahnwerk in Halberstadt, dort werden die Teile gelagert; mag sein, sie können in der Spurensuche oder der Beweissicherung noch wichtig werden für die Arbeit der Soko „Hex“ – Harz-Elbe-Express.

Auch am zweiten Tag nach dem frontalen Zusammenstoß zweier Züge hier bei Hordorf in Sachsen-Anhalt kommen Menschen an die Unglücksstelle. Ein großes Holzkreuz lehnt an einem Baum, darunter brennen mehrere Kerzen und Teelichter. „Ich bin ganz traurig“, sagt Jessica Stefaniak. Und ein 48-jähriger aus Grönig sagt: „Das kann man sich überhaupt nicht vorstellen, was hier passiert ist.“ Seine Frau nickt. „Einfach furchtbar“, sagt sie. „Aber dass das Sicherheitssystem, das die Züge selbstständig abbremst, hier noch nicht installiert ist, das ist schon schlimm.“ Schließlich seien viele Menschen in der Gegend täglich auf die Bahn angewiesen.

Schon am Dienstag soll die Strecke Magdeburg-Halberstadt wieder zu befahren sein, gerade tauschen Bauarbeiter Schwellen in den Gleisen aus, und solange pendeln Busse. So gesehen, gehen die Aufräumarbeiten zügig voran; auf allen anderen Gebieten jedoch beginnen sie gerade erst. Polizeilich. Juristisch. Technisch. Und innerlich sowieso: „Diese Bilder werde ich so schnell nicht vergessen“, sagt einer, der dabei war in der Nacht des Unglücks.

Grünes Licht

Für „Ende der Woche“ erwartet etwa der Einsatzleiter der Bundespolizei, Ralph Krüger, erste Antworten aus der Ursachenforschung: Wer oder was hier versagt hat. Solange beruht die Ermittlung gegen den Lokführer des Güterzuges auf „einigen wenigen Indizien“, so eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Magdeburg. So gibt es einen Zeugen, der gesehen haben will, dass die Regionalbahn grünes Licht hatte – im Umkehrschluss müsste dann der Fehler an Bord des Güterzuges gemacht worden sein. Ausgeräumt ist dagegen das Gerücht, der Mann habe gar nicht in der vorderen Lok gestanden, sondern in der dahinter – was verboten wäre, technisch aber auch nicht möglich ist.

Das Gerücht war entstanden, weil die erste Lok des Güterzuges sehr stark beschädigt wurde und die Frage aufkam, wie darin jemand hätte überleben können. Jedenfalls ist der 41-jährige Mann aus dem Krankenhaus heraus, ist wieder zu Hause. Doch steht er unter Schock und kann zunächst nicht aussagen, soll aber in den nächsten Tagen vernommen werden.

Vater und Sohn kamen von einem Fußballspiel

Und natürlich ist das Unglück auch für die Verletzten längst nicht ausgeräumt. Mindestens zehn Menschen liegen noch in Krankenhäusern in Halberstadt und Haldensleben, davon sind zwei „schwerst verletzt“. Unter den zehn sind ein Vater mit seinem Sohn, die ein Fußballspiel in Magdeburg besucht hatten. Und ein Mädchen, vielleicht zehn Jahre alt, das bewusstlos ist und beatmet wird. Niemand hat nach dem Kind gefragt, deshalb nehmen die Ärzte an, die junge Frau auf derselben Station sei vielleicht die Mutter. Auch sie stammt aus dem Zug, auch sie ist bewusstlos und wird beatmet.