Essen. . Durch Zusatzbeiträge verlieren nicht nur die betroffenen Krankenkassen Mitglieder, sondern auch viele Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz. Das ergab eine DerWesten-Umfrage.

Durch Zusatzbeiträge verlieren nicht nur die betroffenen Krankenkassen Mitglieder, sondern auch viele Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz. Eine WAZ-Umfrage ergab, dass Kassen mit Zusatzbeiträgen im vergangenen und diesem Jahr viele hundert Stellen gestrichen haben und noch streichen müssen.

Die DAK als größte Kasse mit Zusatzbeitrag (acht Euro) hat im vergangenen Jahr 650 Vollzeitstellen abgebaut. Derzeit laufen die Verhandlungen über einen weiteren, wie es heißt „möglichst sozialverträglichen“ Stellenabbau. Dazu zwingt die DAK der Verlust von 460 000 Versicherten im vergangenen Jahr, das waren 7,3 Prozent ihrer zuvor 6,2 Millionen Versicherten.

Selbst die vergleichsweise kleine BKK Heilberufe aus Düsseldorf trennte sich 2010 von 190 ihrer vormals 470 Mitarbeiter. „Zum Teil mussten wir das auch mit Kündigungen tun“, erklärte ein Sprecher der Kasse. Sie nimmt derzeit zehn Euro Zusatzbeitrag im Monat. Die Versichertenzahl der BKK Heilberufe war im vergangenen Jahr von 240 000 auf 140 000 eingebrochen.

Auch die größte Betriebskrankenkasse in Deutschland gehörte zu den großen Verliererinnen der jüngsten Gesundheitsreform: Die BKK Gesundheit verlor mit 290 000 jeden vierten Versicherten. „Als Reaktion darauf mussten wir 300 Stellen abbauen“, sagte eine Sprecherin. Etwa jeder siebte Mitarbeiter verlor demnach seinen Job.

Weniger Versicherte, weniger Mitarbeiter

Derzeit müssen neun bundesweit geöffnete und drei regionale Krankenkassen einen Zusatzbeitrag nehmen, die meisten seit rund einem Jahr. Das hat zu einer Wechselbewegung geführt, wie es sie in den Jahrzehnten zuvor nie gegeben hat. Über das Warum gibt es keinen Zweifel: „Ein Großteil ist auf das Sonderkündigungsrecht nach Einführung des Zusatzbeitrags zurückzuführen“, heißt es unisono.

Wer weniger Versicherte zu betreuen hat, braucht weniger Mitarbeiter. Doch zum Personalabbau zwingt die Kassen nicht allein die Betriebswirtschaft, sondern erstmals auch der Gesetzgeber: Schwarz-Gelb hat die Verwaltungskosten der Kassen auf dem Niveau von 2010 für dieses und das kommende Jahr eingefroren. Entscheidend hierfür sind die Ausgaben je Versichertem. Verliert eine Kasse Versicherte, steigen diese Kosten automatisch. Um sie wieder zu senken, muss sie deshalb ihre Verwaltungsausgaben senken – und die bestehen vor allem aus Personalkosten.

„Der Gesetzgeber zwingt uns zum Stellenabbau“, kritisierte schon im Dezember die Duisburger BKK Novitas. Ihr fiel die Trennung von ihren Mitarbeitern besonders schwer, weil sie ihren Zusatzbeitrag zum Neuen Jahr wieder abschaffen konnte.

Bei Dienstreisen sparen

Die KKH Allianz büßte mit 188 000 fast jeden zehnten Versicherten ein. Auch sie reagiert mit Stellenabbau, wollte aber keine Größenordnung preisgeben – nur, dass sie ohne betriebsbedingte Kündigungen auskomme. Stattdessen würden zum Beispiel befristete Verträge nicht verlängert. Auch spare man soweit es geht, an anderen Ausgaben, etwa für Dienstreisen und Fortbildungen.

Die Faustregel lautet laut dem Dachverband der Gesetzlichen Krankenversicherung, dass man einen Mitarbeiter für 400 bis 500 Versicherte benötigt. Die durchschnittlichen Verwaltungskosten je Versichertem lagen 2009 bei 127 Euro, für 2010 liegen sie noch nicht vor. Allerdings benötigt eine Kasse mit vielen älteren oder schwerstkranken Versicherten (wie die DAK) mehr Sachbearbeiter als eine Kasse mit junger Kundschaft.

Die größten Gewinner waren 2010 die beiden Marktführer: Die Barmer GEK gewann unterm Strich 90 000 Versicherte hinzu, die Techniker Kankenkasse (TK) sogar 339 000. Das bedeutet aber nicht, dass sie entsprechend mehr Mitarbeiter einstellen. Obwohl die TK mit 102 Euro je Versichertem ohnehin zu den Kassen mit der schlankesten Verwaltung zählt, will sie zunächst „Arbeitsprozesse straffen“. Die Barmer hat nach ihrer Fusion mit der GEK noch „Synergiereserven“. Allein die Knappschaft, die im Saldo knapp 45 000 Versicherte dazugewann, erklärte, neue Stellen schaffen zu wollen.