Essen.

Dioxin im Ei, Nitrat im Salat, BSE in der Wurst? Die Lebensmittelskandale nehmen kein Ende. Wie ernährt man sich trotzdem gesund – und günstig, selbst wenn die Zeit fürs Kochen immer knapp ist?

Bio oder Vollwert? Beim Bauern kaufen oder auf dem Wochenmarkt? Vegetarisch kochen oder besser völlig vegan leben? Vielleicht sogar ayurvedisch oder makrobiotisch? An Vorschlägen zum Thema „Gesundes Essen“ mangelt es nicht. Aber was ist wirklich dran an all den gut gemeinten Ratschlägen? Wo findet man Eier ohne Dioxin, Salat ohne Nitrat oder Fleisch ohne BSE? Und: Kann man gesundes Essen überhaupt noch bezahlen? Es zubereiten, wenn die Zeit stets knapp ist? Verbrauchern fällt es zunehmend schwerer durchzublicken, ratlos stehen viele vor Kochtopf und Regalen. Obwohl sie doch einfach nur Mittagessen machen wollen.

Die entscheidende Frage, sagt Foodwatch-Sprecher Martin Rücker, sei gar nicht, ob oder wo wir gute Lebensmittel für wenig Geld finden. „Die Frage ist, ob wir sie erkennen!“ Der Preis sei nicht automatisch Indikator für die Qualität der Ware, billige Produkte nicht unbedingt ungesünder als teure, Bio nur tendenziell besser als konventionell – im Mai 2010 etwa sorgten Dioxin-verseuchte Bio-Eier für Aufsehen. Der Verbraucher selbst könne Schadstoffe gar nicht erkennen. „Der Verbraucher“, so Rücker, „ist darauf angewiesen, dass die Politik ihren Job macht.“

Verbraucherschützer sagen: Macht Druck, Druck, Druck

Konkret fordert Foodwatch: vernünftige Grenzwerte für Schadstoffbelastungen in Le­bensmitteln (noch seien sie oft zu hoch) – und die Gewissheit, dass deren Einhaltung auch kontrolliert wird. Die wenigen Futtermittelkontrolleure et­wa, die es derzeit gäbe, könnten nur Stichproben nehmen, erklärt Martin Rücker. Der aktuelle Dioxin-Skandal sei daher sicher nicht letzte, vielleicht nur die „Spitze des Eisbergs“. Würde der Gesetzgeber die Futtermittelhersteller aber verpflichten, ihre Produkte selbst auf Schadstoffe zu testen, müssten die Lebensmittelkontrolleure nur noch de­ren Unterlagen prüfen – für Foodwatch ein sehr viel praktikableres Verfahren. „Es klingt frustrierend, muss aber so deutlich gesagt werden: Letztlich hilft nur öffentlicher Druck, um Lebensmittel sicherer zu machen, unabhängig davon, ob wir sie beim Discounter oder beim Biobauern kaufen.“

Lebensmittel, die heute bei uns in den Handel kommen, seien „per se“ sicher, sagt dagegen der Ernährungswissenschaftler Harald Seitz, Sprecher des unabhängigen Hauswirtschafts-Infodienstes aid, einer Partnerorganisation der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Ausnahmen gingen – wie im aktuellen Dioxin-Fall – auf kriminelle Energie oder Fehler zurück. Im Übrigen helfe ein einfaches Mittel dagegen, „Endlager für Pestizid-Rückstände“ oder ähnliches zu werden: möglichst vielseitig essen!

Gesundes Essen und knappe Kasse – kein Widerspruch

Gesundes Essen und knappe Kasse seien darum auch kein Widerspruch, so Seitz. Viele hielten Fertiggerichte zwar für besonders billig. Tatsächlich aber seien frische Lebensmittel „besser und billiger.“ Sein Tipp für eine vollwertige, gesunde Mahlzeit, die wenig kostet: Gemüsepfanne. „Einfach gucken“, was noch da sei, Kartoffeln, Nudeln oder Reis meist. Dazu gezielt einkaufen, was der Markt hergebe – für eine vierköpfige Familie derzeit vielleicht Kohlrabi, ein paar Möhren, eine Handvoll Champignons oder Zucchini. „Fertig!“

Und wenn es auch an Zeit mangelt? Statt Miracoli empfiehlt Experte Seitz Nudeln mit selbst gemachter Soße aus passierten Tomaten, „in die Sie einfach ein bisschen Gemüse reinschnibbeln“. Gehe genauso schnell.

Der Trick: Kaufen wo es und wenn es billig ist

Die wichtigste Regel für alle, die beim Kochen mit wenig Geld auskommen müssten, laute: „Flexibel bleiben“, sagt Koch Raimund Ostendorp, der vor Jahren seinen Job in einem Drei-Sterne-Restaurant kündigte, um in Bochum eine Pommesbude zu eröffnen. Verbraucher sollten gucken, was im Angebot sei, kaufen, wo es günstig sei. „Also eher nicht auf der Düsseldorfer Kö, sondern in Stadtrandlage oder auf dem Markt. Wichtig sei auch, auf Saisonware zu setzen. „Erdbeeren vom Feld nebenan“ schmeckten zur richtigen Zeit „mindestens so gut wie Flugananas aus Übersee“.

Kollege Frank Rosin, dessen Dorstener Restaurant ein Mi­chelin-Stern ziert, beklagt, dass nicht nur in den Kantinen, sondern auch daheim viel zu viel Convenience-, also Halbfertigprodukte verwendet würden. Es gebe leider auch kein echtes Familienleben mehr. Dabei sei das gemeinsame Mittagessen „der beste Familientherapeut“. „Zusammen kochen, essen und reden, das ist Medizin für Körper, Geist und Seele.“

Lob für die deutsche Mittelschicht

So gesehen, ist vielleicht aber noch nicht alles verloren: Auf der Kölner Messe „Living Kitchen“ wurde gestern eine Forsa-Umfrage zum Thema vorgestellt. Danach kocht immerhin die deutsche Mittelschicht „häufig, ambitioniert, gesund und abwechslungsreich“.

„Unsere Resultate bestätigen den allgemeinen Trend einer Rückbesinnung auf klassische Tugenden und Werte, zu denen sich auch das anspruchsvolle Kochen zählen lässt“, hieß es. Für die Studie wurden 3000 Männer und Frauen zwischen 30 und 70 Jahren befragt, die in Mehrpersonen-Haushalten leben und monatlich über ein Haushaltseinkommen von über 2500 Euro verfügen können. Mehr als zwei Drittel von ihnen kochen täglich mindestens einmal warm – hauptsächlich inspiriert übrigens von Kochbüchern.