Remscheid. .

Das Outletcenter in Roermond ist der Renner und zieht Kunden aus dem ganzen Ruhrgebiet an. Das Land NRW sträubt sich gegen solche Center. In Remscheid will man jetzt eine Gesetzeslücke ausnutzen.

Fast zehn Kilometer lang ist der Stau. Die Autos drängen sich auf der A 52 bis hinter die deutsche Grenze. Und das an einem Sonntag im Januar. Ziel: der Parkplatz des Designer-Outlet Centers in Roermond. Auf dem ehemaligen Kasernengelände der niederländischen Stadt hat der Investor McArthurGlen 2001 eines seiner Ladenstädtchen ge­baut. Ge­öffnet an 363 Ta­gen. 115 Shops auf 28 000 Quadratmetern, demnächst noch 40 Geschäfte mehr. Eine Erfolgsgeschichte, geschrieben von deutscher Kundschaft. Die gibt ihr Geld jenseits der Grenze aus. Weil NRW sich gegen Designer- Outlet Center sträubt.

Mit vollen Tüten kehrt Sabine Bachmann aus Duisburg zum Auto zurück: ein Mantel, zwei Blusen und eine Jacke für den Junior. „Die Auswahl ist toll, alles nah’ beieinander, und die Preise sind unglaublich“, findet sie. Überproduktion von Prada, Boss und Zegna zum Sonderpreis: Letztes Jahr lockte das Schnäppchenparadies mit dem Mo­de­an­gebot der großen Marken 3,8 Mil­lionen Käufer. Ein Blick auf die Autokennzeichen zeigt: Die allermeisten reisen aus NRW an. Vom Niederrhein und aus dem Ruhrgebiet. Auch Maas-Mechelen in Belgien bietet ein großes Outlet.

Einkaufscenter wie das Centro Oberhausen ziehen Käufer an - und aus den Städten. Foto: Archiv
Einkaufscenter wie das Centro Oberhausen ziehen Käufer an - und aus den Städten. Foto: Archiv © WAZ

In Bayern ist man entspannter

Ginge es nach den Wünschen der Stadt Remscheid, müsste das Vermögen gar nicht aus dem Land abfließen: Im Bergischen wollen die Briten ebenfalls ein Center eröffnen, die Grundstücksverhandlungen laufen. Das Land allerdings wird sich bemühen, das zu verhindern. Outlet Center sind beliebt bei den Kunden, aber unbeliebt bei den NRW-Landespolitikern. In Bayern oder und Baden-Württemberg reagiert man entspannter. Dort werden sie zugelassen.

„Hier wird es keines geben“, versicherte Ilse Brusis (SPD) als NRW-Städtebauministerin schon Anfang der 90er Jahre, und daran hat sich nichts geändert. Man könne nicht Geld in die Innenstädte pumpen, um sie zu stärken und sie dann schwächen, indem man solche Ansiedlungen auf der grünen Wiese zulasse, argumentiert Mirjam Grotjahn, Sprecherin im Wirtschaftsministerium. „Da­bei geht es nicht um die Einkaufsform Outlet Center, sondern um Lage und Ausmaß.“ Das „Centro“ zeige ja, welche Folgen das nach sich ziehe. Gleichwohl bauen die Oberhausener nun mit politischem Segen aus. Am 26. Januar soll der Grundstein für die geplante Erweiterung um 17 000 auf dann 87 000 Quadratmeter gelegt werden. Kosten: 80 Millionen Euro.

Mehr Kaufkraft
in die Region ziehen

„Es ist idiotisch, Outlet Center in NRW nicht zuzulassen“, wettert der Düsseldorfer Handelsexperte Peter Fuhrmann, „man kann doch Kundenströme nicht per Dekret lenken. Die Millionen fließen dann eben ins Nachbarland.“ Ähnlich sieht es Remscheids oberster Stadtplaner Hans-Gerd Sonnenschein: „Wo der Verbraucher hingeht, entscheidet der Verbraucher und nicht die Politik.“ Er hofft, mit einem Outlet Center mehr Kaufkraft in die Region zu ziehen. „Wenn wir nur ein Prozent der Besucher zu einem Abstecher in die Innenstädte bewegen, haben wir gewonnen.“

Vom wirtschaftlichen Erfolg des Designer Outlets in Roermond profitiere die ganze Stadt, versichert Kyra van Oorschot vom Verkehrsverband. „Eine Untersuchung zeigt, dass jeder vierte Besucher des Centers in die Stadt kommt. Das liegt aber auch an dem neuen schnellen Durchgang.“ Roermonder Ge­schäftsleute seien erst skeptisch gewesen und jetzt zufrieden. „Natürlich“, so van Oorschot, „gibt es in Roermond auch mal eine Ladenschließung. Aber das hat mit der allgemeinen wirtschaftlichen Ent­wicklung zu tun.“

Nachbarstädte sind alarmiert

Vom wirtschaftlichen Erfolg des Outlet Centers profitiere ganz Roermond, sagt der Verkehrsverband. Foto: WAZ Foto Pool
Vom wirtschaftlichen Erfolg des Outlet Centers profitiere ganz Roermond, sagt der Verkehrsverband. Foto: WAZ Foto Pool © WAZ FotoPool

Remscheids Nachbarstädte freilich sind alarmiert. Das Wuppertaler Rathaus sieht relativ gelassen zu, aber in Solingen, Hückeswagen oder Wermelskirchen lehnt man die Pläne ab. Vor allem die Funktionäre haben sich in Stellung ge­bracht. „Es wäre der Sargnagel für den Innenstadthandel“, polterte Ge­­org-Eike Dalchow un­längst, Geschäftsführer des rheinischen Einzelhandels- und Dienstleistungsverbandes.

Dass Remscheid am Ende Erfolg haben könnte, liegt an einer aufgebrochenen Gesetzeslücke. Das Oberverwaltungsgericht Münster hat den Paragrafen 24a des Landesentwicklungsprogrammes vor ei­nem Jahr ge­kippt. Der verhinderte die Ansiedlung von Centern vor den Toren der Stadt. Der Landesentwicklungsplan wird derzeit neu geschrieben. „Wir sind mitten drin, das ist ein aufwändiges Verfahren“, sagt Re­gie­rungssprecher Thomas Breu­stedt. Er rechnet „im Lauf des Jahres“ mit einem Abschluss. „Wir können ja nicht fehlerhaft arbeiten, nur um schnell zu sein.“

Komplizierte Prüfverfahren

Im münsterländischen Och­trup hat man die Lücke bereits genutzt und den Anbau des Euregio-Outletcenters durchgedrückt. Ein 25 000 Quadratmeter großes Center im Norden von Duisburg, auf dem Gelände der baufälligen Rhein-Ruhr-Halle direkt an der A 59, steckt in den politischen Mühlen fest. Ausgang: ungewiss. Auch in Remscheid wird es nicht hopplahopp ge­hen, die Prüfverfahren sind in keinem Land so kompliziert wie in Deutschland. Das Interesse an der Entwicklung ist jedenfalls groß. „Wir haben ständig Nachfragen“, berichtet Remscheids Rathaussprecherin Viola Juric. „Vor allem aus Roermond.“