Berlin. .
Der Skandal geht weiter: Weiter ist unklar, ob verseuchtes Fleisch im Handel gelandet ist. Die Grünen fordern nun Aigners Rücktritt. Die Ministerin wies die Kritik an ihrer Person zurück und forderte Niedersachsen auf, für Klarheit zu sorgen.
Im Dioxin-Skandal ist weiter unklar, ob belastetes Schweinefleisch in Supermärkte oder Metzgereien gelangt ist. Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) forderte Niedersachsen am Mittwoch auf, in dieser Frage für Klarheit zu sorgen. Kritik an ihrem eigenen Krisenmanagement wies Aigner zurück.
„Ich bestehe darauf, dass belastete Produkte von gesperrten Höfen sofort und unverzüglich vom Markt genommen werden“, sagte Aigner mit Blick auf Niedersachsen. In dem Bundesland war am Dienstag erstmals Dioxin in Schweinefleisch nachgewiesen worden. Das Agrarministerium in Hannover schloss danach zunächst aus, dass belastetes Fleisch in den Handel gelangt sein könnte, widerrief diese Darstellung dann aber.
Eine Sprecherin des niedersächsischen Agrarministeriums sagte am Mittwoch, Staatssekretär Friedrich-Otto Ripke (CDU) sei offenbar missverstanden worden. Seine Aussage, von dem betroffenen Hof im Kreis Verden sei kein dioxinbelastetes Fleisch in den Handel gelangt, habe sich auf den Zeitraum seit der Sperrung Anfang Januar bezogen. Generell sei dies aber nicht ausgeschlossen, zumal der Lieferant des dioxinverseuchten Futterfetts Harles und Jentzsch dieses nach Angaben des Kieler Agrarministeriums womöglich schon seit März 2010 vertrieben habe.
In Niedersachsen weiterhin 330 „Risikobetriebe“ gesperrt
Die Nachforschungen im Landkreis Verden über den Verbleib von Schweinen des betroffenen Hofs, die vor dessen Sperrung geschlachtet wurden, dauerte am Mittwoch noch an, wie ein Sprecher sagte. In ganz Niedersachsen blieben nach Angaben der Ministeriumssprecherin weiterhin rund 330 „Risikobetriebe“ gesperrt. Bundesweit durften insgesamt noch 412 Betriebe einstweilen keine Erzeugnisse verkaufen, wie Aigner am Nachmittag bekanntgab.
Die frühere Bundesverbraucherministerin Renate Künast verlangte die Entlassung Aigners. Die CSU-Politikerin sei ein „Totalausfall“, sagte die Grünen-Fraktionschefin in Weimar. Statt Krisenmanagement zu betreiben, frage Aigner bei der Futtermittelindustrie an und sage: „Erzählt mir mal, was Ihr geregelt haben möchtet.“ Künast dagegen verlangte Positivlisten für Bestandteile von Futtermitteln, um Beimischungen künftig besser kontrollieren zu können.
Aigner wies die Kritik zurück. „Es ist alles wunderbar gelaufen“, sagte sie in Berlin. „Ich habe erstens Initiativen vorgelegt und mich zweitens immer engstens mit EU-Verbraucherkommissar (John) Dalli abgestimmt.“ Sie habe die Vertreter der Lebensmittelbranche eingeladen und die Bundestagsabgeordneten informiert. In der kommenden Woche werde sie ihre EU-Kollegen informieren. Am Freitag will sie einen Aktionsplan präsentieren, der die gesamte Futtermittelkette auf den Prüfstand stellen soll. „Dieser Fall wird Konsequenzen haben“, sagte Aigner.
Futtermittelproduzent insolvent
Sie werde am Freitag einen Aktionsplan für mehr Sicherheit in Futtermitteln vorstellen, kündigte Aigner an. Gemeinsam mit den Ländern müsse die gesamte Futtermittelkette auf den Prüfstand gestellt werden. Nächste Woche werde dann das weitere Vorgehen mit den Agrarministerin der Länder beraten.
Auch international hat der Dioxinskandal zunehmende Folgen. Nach einem südkoreanischen Importstopp für deutsches Schweinefleisch und schärferen Kontrollen in Russland verhängte auch China ein Importverbot für Schweinefleisch und Eierprodukte aus Deutschland. Die Regelung gilt nach Behördenangaben seit Dienstag. Laut Bundesagrarministerium exportierte Deutschland im vergangenen Jahr 7000 Tonnen Schweinefleisch für knapp sechs Millionen Euro nach China. In Länder der EU gingen demnach Ausfuhren im Wert von knapp vier Milliarden Euro.
Der Futtermittelproduzent Harles und Jentzsch aus Uetersen in Schleswig-Holstein hat Insolvenz angemeldet. Der Insolvenzantrag sei am Mittwochmittag von dem Unternehmen beim Amtsgericht Pinneberg gestellt worden, sagte eine Sprecherin des Landgerichts Itzehoe der Nachrichtenagentur dapd. Als vorläufigen Insolvenzverwalter habe das Gericht einen Rechtsanwalt aus Hamburg bestellt. Das Unternehmen Harles und Jentzsch steht im Verdacht, mit Dioxin belastete Industriefette als Futterfette in Verkehr gebracht zu haben und damit Verursacher des jüngsten Dioxin-Skandals zu sein. (afp/dapd)