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Viele der 3800 Bediensteten der Kreiswehrersatzämter haben nichts mehr zu tun. Darf das so bleiben? Könnten sie nicht anderswo gute Dienste tun? Sind 4,5 Millionen deutsche Staatsdiener etwa falsch verteilt? Eine Analyse.

Karl Theodor zu Guttenberg ist von der schnellen Truppe. Die Idee von der Aussetzung der Wehrpflicht hat er im Sommer gehabt. Das Bundeskabinett folgte dem Verteidigungsminister in seinem Beschluss am 15. Dezember. Vor wenigen Tagen wurden die letzten Dienstpflichtigen gemustert. Seither sitzen viele der 3800 Bediensteten der Kreiswehrersatzämter vor verwaisten Schreibtischen. In Dortmund meldete sich an einem der ersten Tage des neuen Jahres ein (!) Freiwilliger bei den 78 Mitarbeitern. Man hat nichts zu tun.

Darf das so bleiben? Könnten sie nicht anderswo gute Dienste tun? Sind 4,5 Millionen deutsche Staatsdiener etwa falsch verteilt?

Personalmangel an wichtigen Nahtstellen

Sicher ist: Während der Rechnungshof moniert, dass 13.000 Mitarbeiter bei den Wasser- und Schifffahrtsdirektionen zu viele sind, gibt es an wichtigen anderen Nahtstellen des Staatsapparates Personalmangel. Bürger leiden darunter - als Steuerzahler, nicht selten aber auch als Verbraucher. „Bei uns gibt es keine Aufgabenkritik“, sagt Wolfram Kamm vom Verband der Beamten in der Bundeswehr.

Beispiel Lebensmittel-Kontrolle. Die Skandale jagen sich. Die Dioxin-Eier aus Niedersachsen sind kein Einzelfall. Dennoch gibt es nur 2000 Prüfer. Ein Prüfer muss jedes Jahr tausend Betriebe überwachen.

Beispiel Luftfahrt-Aufsicht. Auf nur sechs Planstellen werden im Luftfahrt-Bundesamt Beschwerden von Passagieren über unfaire Behandlung beim Lufttransport bearbeitet. Die Bearbeitung von Reklamationen zieht sich oft über ein Jahr hin. Die Zahl der Rügen für Luftfahrtunternehmen, die Gäste ruppig abfertigen oder abkassieren, fällt dürftig aus. In den Niederlanden werden jährlich 10 000 Ordnungswidrigkeits-Verfahren eingeleitet. Bei uns sind es gerade 700.

Beispiel Steuerfahndung und Zoll

Beispiel Steuerfahnder. Steuerbetrüger prellen den Staat jährlich um eine zweistellige Milliardensumme. 6000 Steuerfahnder arbeiten im Bundesgebiet. Das sind nach Ansicht der Steuergewerkschaft glatte 1000 zu wenig. Dabei „besorgt“ jeder Fahnder pro Jahr mehr als eine Million Euro - das Mehrfache seines eigenen Gehalts.

Beispiel Zoll. Eine Million Vollstreckungen liegen auf Eis, berichtet der Beamtenbund. Das bedeutet, dass dem Staat zustehende Gelder in Höhe von 350 Millionen Euro nicht kassiert werden können. Überhaupt werden, sagt Beamtenbund-Chef Heesen, „mehr als 90 Prozent der Wareneinfuhr nicht mehr geprüft. Drogenschmuggler, Markenpiraten und die Bastler von Paketbomben schlüpfen durch die Netze“.

Doch Defizite mit dem an anderen Stellen vorhandenen Personal auszugleichen ist schwer. Haupthindernis: Oft ist aufwändige Umschulung nötig. „Was“, fragt Bundeswehr-Mann Kamm, „sollen wir mit den Mitarbeitern des Kreiswehrersatzamtes in Traunstein machen?“ Traunstein liegt am Alpenrand. Pendeln? Gibt es andere Behörden mit Personalbedarf in der Nähe? Wohl Fehlanzeige.

Goldener Handschlag?

Kamm sitzt in seinem Bonner Büro und beschäftigt sich in diesen Tagen mit der Zukunft der eigenen Zunft. 100 000 Zivilbeschäftigte arbeiten der Bundeswehr zu. 65 000 könnten es bald noch sein. 35 000 Staatsdiener also müssen neue Arbeit erhalten. Eine Herkulesaufgabe - und nicht die einzige. Die Deutsche Bank übernimmt jetzt die bisher staatliche Postbank. Wie schon bei der Privatisierung von Post und Telekom werden wieder Tausende von Beamten überzählig sein.

Im Instrumentenkasten, solche Besetzungskrisen zu managen, liegen einige Werkzeuge: Beschäftigungsgesellschaften gehören dazu. Auch die Pensionierung mit 55 bei 75 Prozent der letzten Bezüge, „goldener Handschlag“ genannt. Aber auch wenn dies dem Steuerzahler auf Dauer vielleicht billiger kommt: Es scheint so wenig vermittelbar wie ein weiterer „Beamtenshuttle“, die heute tägliche Flugverbindung Bonn-Berlin.

Bis Sommer will sich das Verteidigungsministerium Zeit nehmen, neue Jobs für die Wehrverwalter zu suchen.