Straßburg. .

Die ungarische Regierung gerät wegen ihres neuen Mediengesetzes zunehmend unter Druck. EU-Parlamentarier Cohn-Bendit kritisiert die geplante verstärkte Kontrolle der Medien als „Anschlag auf die Pressefreiheit“.

Wenige Tage vor der Übernahme ihres ersten EU-Vorsitzes gerät die ungarische Regierung wegen ihres neuen Mediengesetzes zunehmend unter Druck. Bundsaußenminister Guido Westerwelle (FDP) erörterte am Donnerstag nach Angaben des Auswärtigen Amtes mit seinem ungarischen Kollegen Janos Martony eine mögliche Änderung des umstrittenen Gesetzes. Mehrere Europaabgeordnete forderten die EU-Kommission zum Handeln auf.

Die Kommission müsse prüfen, ob das Mediengesetz mit dem EU-Recht vereinbar sei, forderte der CDU-Europaabgeordnete und Außenpolitik-Experte Elmar Brok. Dazu müsse sie das im EU-Reformvertrag von Lissabon vorgesehene Verfahren einhalten. Demnach muss Budapest der Kommission zuerst in einem Brief das fragliche Gesetz und seine möglichen Auswirkungen auf die Pressefreiheit erörtern. Sollte Brüssel dann zu dem Schluss kommen, dass das Mediengesetz gegen den EU-Vertrag verstößt, müsse die Kommission Maßnahmen ergreifen, sagte Brok der Nachrichtenagentur AFP. „Die Sanktionen reichen von einer einfachen Rüge bis zur Aufhebung der Stimmrechte.“

„Demokratische Prinzipien verteidigen“

„Ungarn muss sich äußern und die Kommission muss handeln“, verlangte auch der frühere belgische Regierungschef und Vorsitzender der liberalen Fraktion im Europaparlament, Guy Verhofstadt. Das neue Gesetz sei „inakzeptabel“. Während seines am 1. Januar beginnenden ersten EU-Vorsitzes müsse Ungarn „alle demokratische Prinzipien, die wir üblicherweise teilen“, nicht nur selbst einhalten, sondern auch verteidigen. Dazu gehöre auch das Recht auf Pressefreiheit.

Der Ko-Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Europaparlament, Daniel Cohn-Bendit, kritisierte die geplante verstärkte Kontrolle der ungarischen Medien als „Anschlag auf die Pressefreiheit“. Ungarn sei damit auf dem Weg zurück in Richtung einer „kommunistischen Überwachungsdiktatur“, sagte er dem Deutschlandfunk. Unter diesen Umständen werde die bevorstehende ungarische EU-Ratspräsidentschaft „schwer verdaulich“ für die Europäische Union.

Auch andere EU-Staaten hätten „entsetzlichen Medienzustand“

Artikel 7 des EU-Vertrags sieht Sanktionen für den Fall vor, dass eine „eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung“ der europäischen Werte durch ein Mitgliedsland besteht. Als grundlegende Werte definiert der Vertrag unter anderem Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Die Pressefreiheit wird als Teil der allgemeinen Freiheit angesehen. Als schärfste Strafe gegen einen EU-Staat ermöglicht der Reformvertrag den Entzug der Stimmrechte - was de facto eine Aussetzung der Mitgliedschaft bedeuten würde. Dies müsste der Ministerrat entscheiden, in dem die 27 EU-Regierungen vertreten sind.

Große Chancen dafür sieht Cohn-Bendit allerdings nicht. Es gebe auch in anderen EU-Staaten einen „entsetzlichen Medienzustand“, etwa in Rumänien und Italien. Die Regierungen der Mitgliedsländer seien aber „unfähig“, dazu klare Worte zu sagen. Dies gelte auch für die Bundesregierung.

Das ungarische Parlament hatte in der Nacht zum Dienstag das neue Mediengesetz verabschiedet. Es sieht die Einrichtung eines sogenannten Medienrats vor, dem fünf Mitglieder der Regierungspartei angehören sollen. Das Gremium kann Rundfunkbetriebe, Zeitungen und Zeitschriften, deren Berichte als „nicht politisch ausgewogen“ erachtet werden, mit hohen Geldbußen belegen. Das Gesetz soll am 1. Januar in Kraft treten und damit an dem Tag, an dem Ungarn turnusmäßig den EU-Ratsvorsitz übernimmt. (afp)