Gütersloh. .

Eine Umfrage findet wenig Trennendes zwischen Migranten und Deutschen: Bei Familie und Beruf gibt es viele Gemeinsamkeiten. Die Karriereorientierung ist bei Migranten dagegen eher stärker ausgeprägt.

Migranten sind karriereorientierter als Deutsche. Weitgehende Übereinstimmung zwischen beiden Gruppen ergab eine repräsentative Umfrage dagegen in Fragen der Kindererziehung und Hausarbeit. Die Ergebnisse einer Befragung durch das Instituts tns-emnid im Auftrag der „Bertelsmann-Stiftung“ wurde am Mittwoch in Gütersloh veröffentlicht.

„Bei den Themen Familie und Beruf gibt es zwischen Bürgern mit und ohne Migrationshintergrund in Deutschland mehr Gemeinsamkeiten als Trennendes“, interpretierte die Stiftung die Ergebnisse. Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir sah „das Vorurteil der angeblich mangelnden Integrationsbereitschaft von Migranten in Deutschland“ widerlegt.

Junge Frauen mit ausländischen Wurzeln besonders ehrgeizig

Neun von zehn Befragten mit Migrationshintergrund (89 Prozent) gaben demnach an, sie möchten beruflich weiterkommen. Bei den Befragten ohne Migrationshintergrund seien lediglich 45 Prozent so sehr auf ihre berufliche Entwicklung bedacht. Als besonders ehrgeizig erwiesen sich in der Umfrage junge Frauen mit ausländischen Wurzeln: 84 Prozent erklärten, sie wollten beruflich weiterkommen. Bei den deutschen Frauen waren es nur 64 Prozent der Befragten.

Auf Fragen nach dem Rollenverständnis von Männer und Frauen lehnten insgesamt sieben von zehn Befragten das Bild der dauerhaft nicht berufstätigen Frau ab. Mit 74 Prozent war der Anteil bei den Migranten höher als bei den Deutschen mit 70 Prozent. Etwa die Hälfte aller Befragten stimmten jedoch der These zu, dass Mütter ihre beruflichen Ziele zurückstecken sollten, um mehr Zeit für Familie und Kinder zu haben.

Ganztagsschulen bevorzugt

Auch bei der Fragen nach der Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Frauen stimmen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund der Stiftung zufolge überein. 61 Prozent der Befragten sehen hier Probleme. Fast die Hälfte der Befragten gab ab, dass Haushalt, Kindererziehung und Pflege von Angehörigen „überwiegend“ oder „fast ausschließlich“ von Frauen bewältigt werden. Ein Drittel sagte jedoch, dass die häuslichen Arbeiten zu gleichen Teilen von beiden Partnern verrichtet würden. Mit 41 Prozent lag der Anteil bei den Männern mit ausländischen Wurzeln höher als bei den Deutschen mit 35 Prozent.

Große Übereinstimmung herrschte demnach in Fragen der Kinderbetreuung: 44 Prozent der Befragten zogen Kindertagesstätten oder Ganztagsschulen vor. 23 Prozent ließen ihre die Kinder eher in der Familie betreuen. Dies gilt der Umfrage zufolge auch für Familien aus der Türkei oder dem Nahen Osten. Während jede zweite Frau ihre Kinder in einen Kindergarten geben würde, wäre nur jeder dritte Mann dazu bereit.

„Rauch von Sarrazins Nebelkerzen ist verzogen“

„Die Ergebnisse widerlegen Vorurteile über Menschen aus anderen Herkunftsländern in der deutschen Gesellschaft“, kommentierte sagte die stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Bertelsmann Stiftung, Liz Mohn, die Studienergebnisse. Özdemir sagte: „Der Rauch von Sarrazins Nebelkerzen ist verzogen und der Blick auf die wirklichen Fakten wieder freigelegt“. Die Zahlen zeigen, dass es bei der Integration nicht vorrangig an Bereitschaft sondern an Chancen mangele. Dies in Abrede zu stellen und damit der Politik und Gesellschaft einen Freibrief zu geben, ihre Bemühungen um Integrationsangebote einzustellen, sei der große Schaden in diesem Herbst gewesen. „Wir müssen anpacken, um Migranten bessere Integrations- und Aufstiegschancen zu ermöglichen, gerade in den sogenannten Problembezirken unserer Republik“, sagte der Grünen-Politiker.

Für die Umfrage vom 9. November bis 3. Dezember 2010 befragte tns-emnid 896 Personen ohne und 1.001 Personen mit Migrationshintergrund. (dapd)