Die Diskussion mit Thilo Sarrazin um Migranten in Deutschland am Montagabend im Duisburger Lehmbruck Museum entgleiste am Ende. Eine Betrachtung.
„Strohdoof“ – der Duisburger Kulturdezernent Karl Janssen ist noch gut weggekommen. Diese Beleidigung steht sicher am unteren Ende der Provokationsskala, auf der Thilo Sarrazin wie wild herumhüpft. Den Moderator Michel Friedman soll er ein „Arschloch“ genannt haben, sechs Türken aus Neukölln haben Sarrazin wegen seiner „gezielt beleidigend rassistischen“ Thesen angezeigt, und die ganze Hauptstadt durfte sich beleidigt fühlen, als er feststellte: „Intellekt muss importiert werden“ in Berlin.
Rein sprachlich gesehen: Sarrazin tanzt den Niveaulimbo. Und er setzt seinen Maßstab überall dort, wo er auftritt. Denn die Menschen keilen eben auch verbalaggressiv zurück. Noch harmlos SPD-Chef Sigmar Gabriel: „Im Durchschnitt ist der Bundesbankvorstand dümmer geworden dadurch, dass er da Mitglied geworden ist.“
In Duisburg also, am Montagabend, entgleiste die Diskussion nach einem Vortrag des Buchautors, wie sie eigentlich überall entgleist, wo der Ex-Bundesbankvorstand derzeit auftritt auf seiner Lesemission. „Ihr Kulturdezernent ist strohdoof.“ Das antwortete Sarrazin bei der Autogrammstunde einem älteren Fan, der sich berufen fühlte, sich für Duisburgs Kulturdezernenten Karl Janssen zu entschuldigen, der Sarrazin auf dem Podium freilich einen „unerträglichen Populisten“ genannt hatte.
Aber von vorne: Afrika – überflüssig. Die Gastarbeiter – schuld, dass der Bergbau uns noch heute auf der Tasche liegt. Marxloh – dumm, dümmer, am dümmsten. Das waren im Kern Sarrazins Thesen, sachlich, technokratisch vorgetragen. Und als Duisburgs Kulturdezernent Karl Janssen spontan und ohne Vorbereitung aus dem Publikum auf die rote Diskussionscouch gebeten wurde, „da bin ich sehr erschrocken über mich selbst und meine Ablehnung. Ich bin eigentlich unvoreingenommen reingegangen.“
Sarrazin konterte den Populistenvorwurf: „Sie sind sicher ein guter Mensch, aber offensichtlich auch sehr naiv. Kümmern sie sich lieber um ihre Migranten in Marxloh.“
Das Publikum im ausverkauften Saal johlte und toste. Die Stimmung wurde weiter angeheizt von den rund hundert Anti-Sarrazin-Demonstranten vor der Tür. Janssen: „Es hat mich schockiert, wie rechtslastig das Publikum war, das sage ich als CDU-Mann. Ich habe in ganz aggressive Gesichter geguckt, zum Teil bösartig im Ausdruck.“
Sarrazin in Duisburg
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Auch Museumsleiter Raimund Stecker spricht von „Stammtisch-Atmosphäre“. „Ich hätte mir gewünscht, kulturgeschichtliche Gründe zu diskutieren. Wir hätten nicht die Talkshow-Debatte der letzten sechs Wochen wiederbeleben sollen.“
Überfordert war wohl auch Moderator und Künstler Horst Wackerbath, der Sarrazin zwar eingeladen hatte, aber sein Buch nicht gelesen hatte. So findet Janssen: Wir müssen uns den Vorwurf machen, nicht strukturiert vorbereitet gewesen zu sein. Im Rückblick sage ich, haben wir uns nichts Gutes getan.“
Das Argument, man hätte Sarrazin kein Podium bieten sollen, lässt Museumsleiter Stecker aber nicht gelten: „Man darf diese Themen nicht totschweigen, dazu ist die unterschwellige Akzeptanz zu groß und zu gefährlich.“
Was bleibt? „Strohdoof“, das ist natürlich justiziabel. Der Essener Staatsanwalt Willi Kassenböhmer sagt: „Wenn das wirklich so gefallen ist, dann wäre es als Beleidigung strafbar. Voraussetzung ist, dass der Kulturdezernent einen Strafantrag stellt.“ Es würde eine Geldstrafe oder bis zu ein Jahr Freiheitsstrafe drohen. Aber ob Janssen tatsächlich Anzeige stellt, lässt er offen: „Ich bin relativ gelassen, was die Ablehnung aus seinem Munde angeht. Eigentlich ist das ein Ritterschlag.“
Thilo Sarrazin selbst erklärte am Mittwoch auf Nachfrage: „Ich erinnere mich nicht, Herrn Janssen mit einem herabsetzenden Ausdruck belegt zu haben.“
Herr Janssen jedenfalls, das bleibt, bekommt nun viel Fanpost, nicht nur von Migranten.
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