Die Staatsanwaltschaft Duisburg will gegen elf Personen aus der Stadtverwaltung ermitteln - darunter Ordnungsdezernent Rabe und Baudezernent Dressler. OB Sauerland zählt noch nicht zu dem Kreis.
Die Staatsanwaltschaft Duisburg will demnächst die ersten Beschuldigten im Ermittlungsverfahren zur Loveparade-Katastrophe namentlich benennen. Wie die NRZ aus zuverlässiger Quelle erfuhr, hat die Ermittlungsbehörde offenbar die Absicht, konkret gegen elf Personen aus der Duisburger Stadtverwaltung zu ermitteln: Unter ihnen der Ordnungsdezernent und Loveparade-Beauftragte der Stadt, Wolfgang Rabe, Baudezernent Jürgen Dressler, sowie die stellvertretende Leiterin des Ordnungsamtes, Ursula Fohrmann. Oberbürgermeister Adolf Sauerland zählt nach diesen Informationen derzeit nicht zu den persönlich Benannten.
Darüber hinaus soll gegen sechs Beschäftigte des Veranstalters Lopavent namentlich ermittelt werden, auch hier steht der Chef des Unternehmens, Rainer Schaller, wohl nicht auf der Liste der Beschuldigten. Schließlich soll gegen einen hochrangigen Beamten der Duisburger Polizei ebenfalls ein Ermittlungsverfahren eröffnet werden.
Unterdessen hat der Duisburger Verkehrsexperte und Panikforscher der Uni Duisburg-Essen, Prof. Michael Schreckenberg, nach Informationen von Spiegel-Online schwere Vorwürfe gegen die Stadt und den Veranstalter Lopavent erhoben. Beide hätten dem Wissenschaftler vor der Veranstaltung, bei der im Juli 21 Menschen ums Leben kamen, gezielt Informationen vorenthalten und eine kritische Prüfung der Planungen offenbar nicht gewollt. Dies schreibt Schreckenbergs Kölner Anwalt Thomas Herbert in einer 60-seitigen Stellungnahme, die am 8. November bei der Duisburger Staatsanwaltschaft eingegangen sein soll.
20 000 Euro Honorar
Demnach sei Schreckenberg, der die Stadt bei der Vorbereitung des Ereignisses für ein Honorar von 20 000 Euro beraten sollte, „zu keinem Zeitpunkt in die Planungen eines Sicherheitskonzeptes einbezogen worden“. Man habe ihm weder das Sicherheitskonzept vom 28. Juni noch die Veranstaltungsbeschreibung vom 16. Juli vorgelegt, heißt es.
Der Professor für Physik von Transport und Verkehr an der Universität Duisburg-Essen sei auch nicht zu den Sitzungen des Arbeitskreises Sicherheit eingeladen worden. Zudem habe der Veranstalter Lopavent sich geweigert, Schreckenberg konkrete Zahlen zu nennen, wie viele Besucher man erwarte. „Zusammenfassend kann man sagen, dass Nachfragen, Anregungen und Verbesserungsvorschläge nicht gewünscht waren“, schreibt der Anwalt.
In dem Schriftsatz an die Staatsanwaltschaft äußert Schreckenbergs Anwalt den Verdacht, die Stadt habe sich womöglich nur mit dem Namen des Wissenschaftlers schmücken wollen, um „kritische Stimmen zu beruhigen“.
Im Auftrag des OB?
Wegen dieser Zusammenhänge und einer geleisteten Honorarzahlung von 20 000 Euro von der Stadt an den Wissenschaftler hat die Duisburger Staatsanwaltschaft nach NRZ-Informationen bereits schon jetzt ein Ermittlungsverfahren wegen Un-treue gegen den städtischen Ordnungsdezernenten Wolfgang Rabe eingeleitet. Im Raum steht die ungeklärte Frage, ob die Stadt mit Hilfe des eingekauften Schreckenberg-Gutachtens möglicherweise wissentlich Sicherheitsbedenken ignoriert bzw. abgewehrt hat, die bis dahin aus Fachkreisen der Verwaltung erhoben wurden. Sollte dies der Fall sein, muss die Justiz klären, ob dies ein Alleingang des Loveparade-Beauftragten Rabe war, oder ob er dies im Auftrag des Verwaltungschefs, OB Sauerland, durchgesetzt hat.
These widerlegt
Mit der Aufnahme der 11 Er-mittlungsverfahren gegen die städtischen Bediensteten se-hen Justizexperten auch die umstrittene These der von der Stadt hinzugezogenen Anwältin Ute Jasper widerlegt, die im Auftrag der Kommune im Sommer, wenige Wochen nach der Katastrophe, ein entlastendes Gutachten vorgelegt hatte, in dem sie sinngemäß behauptete: Mit der Ausstellung der Genehmigung der Loveparade durch die Stadt Duisburg sei die städtische Verantwortung für dieses Ereignis beendet gewesen. Eine Notwendigkeit, Auflagen zu kontrollieren, habe für die Stadt nicht bestanden. Diese Position, für die die Stadt der Juristin ein Honorar von 456 000 Euro gezahlt habe, sei jetzt schwerlich zu halten.
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