Berlin/Kundus. .

Kanzlerin Merkel hat bei ihrem Kurzbesuch in Afghanistan vor Bundeswehrsoldaten von Kämpfen wie im Krieg gesprochen. Überschattet wird die Reise von dem tragischen Tod eines 21-jährigen Hauptgefreiten.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat bei ihrem Kurzbesuch in Afghanistan von Kämpfen wie im Krieg gesprochen. Vor mehreren hundert Soldaten sagte die CDU-Politikerin im Feldlager der Bundeswehr in Kundus: „Wir haben hier nicht nur kriegsähnliche Zustände, sondern Sie sind in Kämpfe verwickelt, wie man sie im Krieg hat.“ Sie betonte: „Das ist für uns eine völlig neue Erfahrung. Wir haben das sonst von unseren Eltern gehört im Zweiten Weltkrieg.“ Das sei aber eine andere Situation gewesen, weil Deutschland damals der Angreifer gewesen sei.

Die Kanzlerin dankte den Soldaten für ihren Einsatz. „Wir wissen, dass das eine extrem gefährliche Sache ist und sich viele noch lange nach dem Einsatz damit rumplagen, was sie hier erlebt haben.“ Das militärische Engagement am Hindukusch diene auch der Sicherheit Deutschlands, bekräftigte Merkel. „Ohne Sie könnten wir nicht so sicher leben, und das müssen wir den Menschen auch sagen“. Sie räumte ein, dass die Bevölkerung den Einsatz „zum Teil skeptisch“ sehe - „und trotzdem ist sie stolz auf Sie.“

45 deutsche Soldaten am Hindukusch gestorben

Merkel gedachte zuvor am Ehrenhain der im Einsatz gefallenen deutschen Soldaten. Seit Beginn des Einsatzes vor neun Jahren starben 45 deutsche Soldaten am Hindukusch. Erst am Freitagabend war ein 21-jähriger Hauptgefreite mit einer Schusswunde in einem Außenposten nördlich des Regionalen Wiederaufbauteams (PRT) Pol-i Khomri aufgefunden worden und wenig später bei einer Notoperation gestorben. Merkel sprach von einem „tragischen Unfall“. Eine Gefechtssituation habe nicht vorgelegen, hieß es aus dem Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Potsdam.

Bei einem Gespräch mit Soldaten, die an den schweren viertägigen Gefechten im vergangenen Monat gegen Taliban im Unruhedistrikt Chahar Darreh beteiligt waren, sagte die Kanzlerin zur Schilderung der Kämpfe: „Das ist etwas, was wir bisher nur aus Kriegsbüchern kannten.“

Merkel war am Morgen im nordafghanischen Kundus eingetroffen. Die Regierungschefin wurde von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) und Bundeswehr-Generalinspekteur Volker Wieker begleitet. Derzeit sind rund 4.600 Bundeswehrsoldaten in Afghanistan im Einsatz. Bis zu 5.000 Einsatzkräfte sind dem derzeitigen Mandat zufolge möglich, zusätzlich einer Reserve von 350 Mann. Im Januar muss das Parlament über eine Verlängerung des Mandats zur Beteiligung an der Internationalen Schutztruppe ISAF entscheiden.

Opposition fordert Verbindlichkeit des Abzugstermins 2011

Fast zehn Jahre nach Beginn des Afghanistan-Einsatzes soll die Bundeswehr Ende 2011 mit dem schrittweisen Abzug deutscher Truppen beginnen. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) hatte am Donnerstag in einer Regierungserklärung zu „Fortschritten und Herausforderungen in Afghanistan“ im Bundestag angekündigt, dass in den ersten Provinzen die Sicherheitsverantwortung bereits bis Sommer des kommenden Jahres an die Afghanen übergeben werde. Ende 2011 werde dann das Bundeswehrkontingent am Hindukusch erstmals reduziert.

Unterdessen hat die SPD die Kanzlerin aufgefordert, den Soldaten in Afghanistan vor Ort zu erklären, dass der anvisierte Terminplan für den Abzug von 2011 bis 2014 verbindlich ist. „Das Gelingen der Mission“ müsse zentraler Bestandteil der politischen Erklärung sein, sagte der verteidigungspolitische Sprecher der SPD, Rainer Arnold, der „Leipziger Volkszeitung“. „Und zum Gelingen des Auftrages gehört auch die politische Verlässlichkeit, damit Vertrauen bei den Afghanen, in der deutschen Gesellschaft und bei den Soldaten besteht“, bekräftigte Arnold. Im Mittelpunkt eines Besuchs der Kanzlerin bei den deutschen Soldaten in Afghanistan sollten „die Soldaten stehen und nicht die Kanzlerin“, sagte Arnold mit Blick auf die von ihm kritisierte jüngste Reisetruppe unter Führung von Verteidigungsminister Guttenberg, die zu Wochenbeginn im Hindukusch-Einsatzgebiet war. (dapd)