Berlin. .
In keinem anderen Industrieland sanken die Löhne seit 2000 stärker als in Deutschland. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie zum „Globalen Lohnbericht“. Die Studienleiter schlussfolgern, dass die Beschäftigten die Zeche für die Wirtschaftskrise zahlen.
Die Zeche für die weltweite Wirtschaftskrise haben aus Sicht der UNO-Arbeitsorganisation vor allem die Beschäftigten bezahlt. Gegenüber 2007 sei die Zahl der Arbeitslosen weltweit um knapp 30 Millionen auf rund 207 Millionen im vergangenen Jahr gestiegen. Zugleich habe sich der Lohnzuwachs deutlich abgeschwächt. Allerdings gebe es regional teils drastische Unterschiede, sagte Wolfgang Schmidt von der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) am Mittwoch bei der Vorstellung des zweiten Globalen Lohnberichts in Berlin. Lob hatten die Experten dagegen für das Krisenmanagement in Deutschland. Getrübt wird die Einschätzung jedoch durch die langfristige Entwicklung, denn in keinem anderen Industrieland sanken die Löhne seit 2000 stärker als in Deutschland.
Während sich 2006 und 2007 das globale Reallohnwachstum auf 2,7 und 2,8 Prozent belaufen habe, sei es infolge der Krise in den beiden folgenden Jahren auf 1,5 und 1,6 Prozent gesunken, so die ILO. Ohne China sei der Zuwachs auf Jahressicht von 2,1 Prozent 2006 sogar auf 0,7 Prozent 2009 gefallen, sagte Malte Lübker, einer der Studienautoren. Damit habe sich die Krise auch auf jene ausgewirkt, die ihren Job behalten haben, sagte ILO-Generalsekretär Juan Somavia. „Ihre Kaufkraft wurde durch die Krise beschnitten und ihre Lebensqualität vermindert.“ In vielen Regionen sanken die Löhne in der Krise sogar.
Deutschland stellt die ILO bei der Krisenbewältigung jedoch ein gutes Zeugnis aus. Durch „intelligente Arbeitsmarktinstrumente“ und einen „guten Dialog der Sozialpartner“ seien die Beschäftigung stabil geblieben und die Löhne nur leicht gesunken. Die Kurzarbeiterregelung sei eine „gute Investition“ gewesen, die Entlassungen verhindert und die Binnennachfrage gestützt habe.
Lohnsteigerung ist „vernünftige Politik“
Dem stehe jedoch gegenüber, dass die Löhne in Deutschland bereits vor die Krise zurückgegangen seien. Gründe sind Lübker zufolge die Zunahme befristeter und gering bezahlter Beschäftigungsverhältnisse - etwa Leiharbeit und Minijobs - sowie moderate Tarifabschlüsse. Daneben zeige sich in Deutschland auch der globale Trend, demzufolge sich der Produktivitätszuwachs nicht in entsprechend steigenden Löhnen widerspiegele. Dies bedeute zwar eine Zunahme der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. Für die private Nachfrage seien Lohnsteigerungen aber eine „vernünftige Politik“.
Zudem bestehe für Beschäftigte im Niedriglohnsektor die Gefahr, den Anschluss zu verlieren, hieß es weiter. Der Aufstieg in besser bezahlte Arbeitsverhältnisse sei weiter gering, die Gefahr, „im Niedriglohnsektor gefangen zu bleiben“, dagegen hoch. Als eine Gegenmaßnahme befürwortet die ILO Mindestlöhne, die bereits in 90 Prozent aller Staaten gelten würden. Etwa die Hälfte von ihnen habe diese in der Krise sogar angehoben. (dapd)