Berlin. .
Ein deutscher Islamist hat den Anschlag von Stockholm verurteilt. Das seien „Verzweiflungstaten, die absolut keinen Nutzen bringen“. Die Polizei teilte mit, dass der Attentäter viele Menschen töten wollte.
Der bekannte radikal-islamische Prediger Deutschlands, der rheinländische Konvertit Pierre Vogel, hat angesichts der Anschläge von Stockholm Terror als nicht mit dem Islam vereinbar verurteilt. In einer gut zehnminütigen Videobotschaft bezeichnete Vogel Gewalttaten wie die von Stockholm als „Verzweiflungstaten, die absolut keinen Nutzen bringen“.
Vogel, zu dessen Vorträgen oft mehr als tausend Zuhörer kommen, sagte, dass es Muslime gebe, die den Anschlag begrüßen würden. Prediger müssten deswegen klar machen, dass die Aktion „islamisch verboten ist, denn der Prophet hat es verboten, im Kriegsfall Frauen, Kinder, Greise und sogar Mönche zu töten, die sich nicht an dem Krieg beteiligen. Wie ist es dann erst mit gezielten Aktionen, wo solche Menschen zu Tode kommen?“
Verfassungsschützer rechnen Pierre Vogel und seinen Verein „Einladung zum Paradies“ dem sogenannten Salafismus zu, der als die am schnellsten wachsende radikale Strömung innerhalb des Islam gilt. In seinen Predigten bezeichnet der einstige Boxer die Scharia als eine dem Grundgesetz überlegene Rechtsnorm und rechtfertigt Steinigungen von Frauen nach einem Ehebruch. Beobachter und liberale Muslime halten seine Ansichten für integrations- und verfassungsfeindlich.
Wegen seiner fundamentalistischen und wortgetreuen Koran-Interpretation sehen Verfassungsschützer - trotz seiner immer wieder propagierten Ablehnung von Terrorismus - in Vogel außerdem einen potenziellen Wegbereiter für selbst ernannte „Heilige Krieger“. Besonders radikale Salafisten bezeichnen Vogel wegen seiner Ablehnung von Terror und Gewalt dagegen als „Feind der Mudschahedin“, als „Schleimer“ oder sogar als Ungläubigen.
Sprengstoffgürtel explodierte früher als geplant
Der Attentäter von Stockholm wollte schwedischen Ermittlern zufolge weit größeren Schaden anrichten und sich in einem Bahnhof oder Kaufhaus in die Luft sprengen. Der Sprengstoffgürtel sei früher als geplant explodiert, sagte Generalstaatsanwalt Tomas Lindstrand am Montag in Stockholm. Außerdem habe der Mann eine Bombe in seinem Rucksack gehabt und einen Gegenstand getragen, der wie ein Schnellkochtopf ausgesehen habe. „Wäre alles zur selben Zeit explodiert, hätte sehr ernsthafter Schaden angerichtet werden können.“ Die Tat sei so gut geplant gewesen, dass der Attentäter Helfer gehabt haben müsse.
Lindstrand sagte, es sei möglich, dass der Mann zu einem Ort mit vielen Menschen habe gehen wollen. Neben dem Hauptbahnhof nannte der Staatsanwalt das Kaufhaus Ahlens, ein beliebtes Ziel für Stockholmer und Touristen mitten im Zentrum der schwedischen Hauptstadt.
Attentäter hatte schwedischen Pass
Den Ermittlern zufolge handelt es sich bei dem Attentäter, der am Samstagnachmittag in der Innenstadt selbst umkam, um Taymour Abdulwahab. 1981 geboren habe er 1992 die schwedische Staatsbürgerschaft erhalten. Medien berichteten, der Mann stamme aus dem Irak. Die Ermittler wollten das nicht bestätigen und sprachen lediglich von einer Herkunft aus dem Nahen Osten. Zweitweise habe er in Großbritannien gelebt. Nach Angaben der Universität von Bedfordshire in der südenglischen Stadt Luton war Abdulwahab von 2001 bis 2004 eingeschrieben und machte seinen Abschluss als Bewegungstherapeut.
2007 soll der spätere Attentäter an der Islamischen Zentralmoschee in Luton an Gottesdiensten teilgenommen haben. Der Vorstand der Gemeinde sagte der Nachrichtenagentur Reuters, Abdulwahab sei sehr freundlich und temperamentvoll gewesen. „Die Leute haben ihn gemocht.“ Allerdings habe er versucht, extreme Ideen zu verbreiten. Als ihn die Leitung zur Rede habe stellen wollen, sei er rausgestürmt und nie wieder gesehen worden.
Die britische Polizei durchsuchte in Luton ein Haus. Bei der Aktion am Sonntagabend gab es den Angaben nach aber keine Festnahmen. Auch sei kein verdächtiges Material gefunden worden. Das durchsuchte Anwesen wurde abgeriegelt. Das britische Innenministerium teilte mit, es stehe im Kontakt mit den schwedischen Behörden.
Warnung vor Anschlag
Wenige Minuten vor den Explosionen in Stockholm am Samstag erhielt die schwedische Nachrichtenagentur TT eine Warnung per E-Mail. Darin hieß es: „An meine Familie: Versucht, mir zu vergeben. Ich konnte nicht warten und zusehen, wie dem Islam und dem Propheten Mohammed Ungerechtigkeit widerfährt (...).“ Nach einem Eintrag in einer Kontaktbörse soll der Attentäter zwei kleine Töchter gehabt haben und auf der Suche nach einer zweiten Ehefrau gewesen sein.
In der E-Mail bittet der Unterzeichner seine Familie um Vergebung für seine Lügen. In den Nahen Osten sei er nicht zum Geldverdienen gefahren, sondern für den Heiligen Krieg.
Schwedische Medien berichteten, sie hätten den Facebook-Eintrag des Attentäters gefunden. Er soll in Tranas, rund 200 südwestlich von Stockholm gewohnt haben. Auch dort soll die Polizei ein Haus durchsucht haben, berichteten mehrere Zeitungen.
Weder in Schweden noch in Deutschland wurde die Gefahrenstufe verändert. Allerdings warnte die Deutsche Polizeigewerkschaft vor Anschlägen nach dem Muster von Stockholm. „Jederzeit kann es passieren, dass bei fanatisierten Einzeltätern alle kriminellen Sicherungen durchbrennen und sie zu terroristischen Einzelaktionen starten“, sagte der Vorsitzende Rainer Wendt der Onlineausgabe des „Handelsblatts“. Terrorismus funktioniere nicht mehr wie zu Zeiten der RAF mit festen Strukturen und Hierarchien der Banden. Die heutigen Täter operierten in Gruppen, die sich eine Zeit lang zusammenschlössen, oder als Einzelpersonen. Manche würden mit deutschem Pass in Deutschland leben. (rtr/dapd)