Stockholm. .

Das neutrale Schweden ist wie betäubt von einem inzwischen bestätigten Terroranschlag im Herz seiner Hauptstadt. Der vermeintlich verwirrte und durch den eigenen Sprengstoff ums Leben gekommene Einzeltäter soll keine Komplizen gehabt haben.

Folgetaten schloss die Polizei aus. Allerdings soll der 29-Jährige einen radikalislamischen Hintergrund gehabt haben.

Zwei Explosionen führten am Samstag gegen 17 Uhr zum anscheinend unbeabsichtigten Tod des Attentäters und zwei verletzten Passanten auf einer bevölkerten Einkaufsstraße. Am Samstagnachmittag war zunächst ein Auto an der be­lebten Ecke Drottningsgata/Olof Palme Gata explodiert. Wenige Minuten spä­ter sprengte sich ein Attentäter 200 Meter entfernt von dem Auto an der Ecke Bryggargatan, unweit des deutschen Goethe-Institutes, in die Luft.

„Da lag ein Mensch“

„Ich war an der Drottningsgata 71. Als wir aus dem Haus kamen, hörten wir eine Explosion, wir sahen nicht so viel. Viel Staub, Geschrei und Rauch. Erst gingen wir alle hin, um zu sehen was los war“, erzählt Bianca Nordin mit brüchiger Stimme. „Da lag ein Mensch auf der Straße unter einer Plane. Dann hieß es, es könne noch mehr passieren und wir rannten weg“, be­schreibt sie.

Ihre Mutter Ca­milla Nordin war zu diesem Zeitpunkt im Hotel, das ausgerechnet am ersten Anschlagsplatz lag: „Es knallte gewaltig. Genau vor meinem Hotelfenster sehe ich ein Auto, das kräftig brennt“, sagt sie. „Ich stand da und verstand nicht richtig, was los war. Ich weiß nicht, ob ich mich in Stockholm noch mal sicher fühlen kann. Das Gefühl, so etwas passiert nicht hier, ist weg“, sagt die genauso schockierte Mutter einem Radiosender.

„Schaurige Angelegenheit“

Die Sicherheitspolizei Säpo geht von einem Einzeltäter aus, die Terrorsicherheitsstufe müsse nicht erhöht werden, beruhigte Säpo-Sprecher Anders Thornberg am Sonntag. Bei einer Pressekonferenz zeichnete die Polizei, ohne auf Details eingehen zu wollen, das Bild eines verwirrten Amateurs. „Das Ganze ist eine schaurige Angelegenheit, eine sehr schaurige“, sagte Oberstaatsanwalt Tomas Lindstrand und deutet an, dass der Mann vermutlich kein freiwilliger Selbstmordattentäter gewesen sei: „Er starb vermutlich an Sprengmittel, das er mit sich führte und das explodierte, als es vermutlich nicht hätte explodieren sollen“, sagte Lindstrand. „Wir werden dennoch die Polizeipräsenz in Stockholm am Sonntag erhöhen, damit sich die Bürger mit Informationen an die Beamten wenden können und um das Sicherheitsgefühl zu erhöhen“, sagte Erik Widstrand, von der Stockholmer Polizei. „Es gibt keinen Grund dafür, Angst zu haben. Dafür liegen uns keine Informationen vor.“

Dass der 29-Jährige Kontakte zu einem großen internationalen radikalislamischen Terrornetzwerk hatte, bezweifelte die Polizei am Sonntag offen. Es gebe auch keine Anhaltspunkte für etwaige Komplizen.

Genaueres zum verstorbenen 29-jährigen Täter wollte die Polizei zunächst nicht bekannt geben. Allerdings erhielt sie vor dem Anschlag einen Drohbrief, in der ein „heiliger Krieg“ angekündigt wurde. Der vermeintliche Grund: Schwedens Beteiligung am Krieg in Afghanistan und die Tatsache, dass neben den international angefeindeten dänischen Künstlern auch der Schwede Lars Vilks vor vielen Jahren eine Mohammed-Karikatur gezeichnet hatte.

Fremdenfreundliches Schweden

Der Täter wohnte im Zentrum der Kleinstadt Tranås, mehrere hundert Kilometer südwestlich von Stockholm. Dort ermittelte eine Säpo-Sondereinheit am Sonntag.

Schweden ist wohl eines der bislang islam- und einwandererfreundlichsten Länder Europas. Erst kürzlich hatte ein Gerichtshof ein Burka Verbot in Schulen für rechtswidrig erklärt, während andere Staaten es gesetzlich einführen. Schweden ist Befürworter für den Brückenschlag der EU in die moslemische Welt durch die Aufnahme der Türkei. Auch moslemische Einwanderer, die zuvor in Deutschland oder Frankreich um Asyl baten, legen Zeugnis davon ab, dass sie in Schweden zwar auch nicht vorurteilsfrei, aber doch um einiges freundlicher aufgenommen wurden.