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Beim Bundesverdienstkreuz gibt es reservierte Plätze – für Abgeordnete. „Eine ganz neue Form der Selbstbedienung“, schimpft Parteien-Kritiker von Arnim. Dabei sind Parlamentarier nicht die einzigen, die bevorzugt werden.
Für Bundestagsabgeordnete sind jedes Jahr pauschal sieben bis acht Verdienstorden reserviert. Sie werden nach Parteienproporz vergeben. Der Berliner Kurier berichtete am Freitag über eine mündliche Absprache zwischen dem Bundespräsidialamt, das die Orden vergibt, und dem Bundestag. Sie stammt aus der Mitte der 90er-Jahre.
Sofort wurde harsche Kritik an der Absprache laut. Der Parteienkritiker Hans Herbert von Arnim bezeichnete sie als „absolute Anmaßung“ und „ganz neue Form der Selbstbedienung“. Die Linken sprachen von einem „unwürdigen Geschachere“, an dem sie sich nie beteiligt hätten.
Das Bundespräsidialamt erklärte, dass die Abgeordneten die Auszeichnung zu Recht bekämen. Anfang der 90er-Jahre seien es noch mehr als doppelt so viele gewesen. Vorläufig bleibe es daher bei diesem Verfahren. Der Präsident verleiht über 2000 Verdienstorden im Jahr.
Der erste Träger war ein Bergmann
Angefangen hatte alles 1951. Bergmann Franz Brandl steckte gerade mit zwei Kollegen in 300 Metern Tiefe, als das Wasser kam. Seinen ersten Reflex kann man sich vorstellen: Raus hier, nur nach oben, so schnell wie möglich. Doch Brandl, damals 30 Jahre alt, widerstand dem Reflex. Er stieg zurück und half seinen beiden Kollegen, gegen das herabstürzende Wasser anzuklettern. So rettete er ihnen das Leben.
Brandl, der selbstlose Fördermann vom Kupferbergwerk Sontra in Hessen, erhielt dafür das Verdienstkreuz am Bande. Er war der erste, der in den Genuss der neuen Auszeichnung kam. Bundespräsident Theodor Heuss hatte sie gestiftet, um Leistungen zu würdigen, „die im Bereich der politischen, der wirtschaftlich-sozialen und der geistigen Arbeit dem Wiederaufbau des Vaterlandes dienten“. Und dieses Anliegen war ihm einiges wert, denn er musste es gegen begründete Bedenken durchsetzen.
Weimar hatte Orden ganz verboten
Das Ordenswesen war ja gründlich diskreditiert: Die Gesellschaft des Kaiserreichs war noch ganz versessen auf Orden – die Weimarer Verfassung war deshalb unerbittlich und verbot sie ganz. Erst die Nazis trieben das Ehren und Auszeichnen wieder zu neuer Blüte. Und so mochte sich mancher fragen: Was will die junge Bundesrepublik damit?
Doch die Menschen hatten was durchgemacht und nun plagten sie sich, um das Land wieder aufzubauen. Ausdrücklich wurde in dem Schreiben, mit dem Franz Brandl für den Orden vorgeschlagen wurde, auch dies erwähnt: Er sei Heimatvertriebener, Spätheimkehrer aus der Kriegsgefangenschaft und außerdem ein fleißiger und zuverlässiger Arbeiter. Das Land brauchte Möglichkeiten, solchen Leuten seine Anerkennung auszudrücken.
Ein Kreuz aus Kupfer – und aus Lüdenscheid
Neun verschiedene Ausführungen, von 3,8 bis 7 Zentimeter groß, mit und ohne Band: So werden die Verdienstorden der Bundesrepublik heute von Steinhauer und Lück in Lüdenscheid hergestellt. Unter Gold und Emaille steckt eine eher billige Kupferlegierung. Das hilft, die Kosten in Grenzen zu halten, denn das Verdienstkreuz wurde ein Massenartikel: In Spitzenzeiten wurden über 5000 Stück pro Jahr unters Volk gebracht, das war 1991, und seither hat man sich bemüht, die Ordensflut einzudämmen: 2009 wurden nur noch 2173 Verdienstorden vergeben.
Quoten, so wie die jetzt bekannt gewordene für die Bundestagsabgeordneten, sind nicht neu. In den 80er-Jahren stellte der damalige Bundespräsident Karl Carstens mit Bestürzung fest, dass er nur 14 Prozent der Orden an Frauen vergeben hatte. Forthin wurde mehr auf Frauen geachtet. Erst Horst Köhler führte jedoch eine feste Quote ein. Sie liegt bei 30 Prozent.
Ausgezeichnet wird auch der Bundespräsident selbst
Daneben gibt es Funktionsträger, die das Kreuz qua Amt erwerben: Die Bundespräsidenten selbst gehören dazu und die Inspekteure der Bundeswehr. Im Fall der Bundestagsabgeordneten erklärte die Präsidialverwaltung jetzt, dass die Geehrten aufgrund ihres langjährigen politischen Engagements alle die Voraussetzungen für die Ehrung erfüllten.
Was die Kritiker stört: Die Vorschläge für das Bundesverdienstkreuz kommen von den Ministerpräsidenten der Länder. So war das zwar auch schon bei Franz Brandl. Doch je mehr Politiker in den Genuss der Auszeichnung kamen, desto mehr bekam das Kreuz diesen hässlichen Anschein: eine Geste zu sein, die die Honoratioren des Landes untereinander verbindet.