Essen. .
Peer Steinbrück schießt in der Causa Sarrazin gegen SPD-Parteichef Sigmar Gabriel. Er kritisiert den geplanten Partei-Rauswurf des Ex-Bundesbankers. In der Integrationsdebatte beklagt Steinbrück finanzielle „Fehlanreize“ für Zuwanderer.
Als Ministerpräsident von NRW folgte Peer Steinbrück 2002 auf Wolfgang Clement. Nun entwickelt sich der 63-Jährige auch in der SPD gewissermaßen zum Nachfolger Clements – in der Rolle des unbequemen Mahners und Querdenkers. Dabei bezieht er explizit Position gegen Parteichef Sigmar Gabriel.
Etwa in der leidigen Causa Thilo Sarrazin. „Ich bin gegen einen Parteiausschluss“, lässt Steinbrück den Vorsitzenden, der den Rauswurf Sarrazins betreibt, via Bild-Zeitung wissen. Denn, so Steinbrück, dies vermittle den Eindruck, die Partei wolle das Thema Integration loswerden: „Das Echo zeigt aber, dass viele Bürger über Zuwanderung und vermurkste Integration reden wollen, auch in der SPD.“
Zwar kritisiert Steinbrück, Sarrazin habe mit „plattem Sozialdarwinismus“ die Integrationsdebatte „vergiftet“. Er lässt aber Sympathien für einige Aussagen Sarrazins erkennen: „Abgesehen von den letzten Kapiteln kann man weiten Teilen von Sarrazins Analyse kaum widersprechen.“
Steinbrück spricht von abgehängtem Sozialmilieu
Schon in seinem vor einigen Wochen erschienenen Buch „Unterm Strich“ hatte Peer Steinbrück klare Worte zu diesen Punkten gefunden; sie waren jedoch weitgehend in der scharfen Bankerschelte des Ex-Finanzministers untergegangen. In dem Buch bilanzierte Steinbrück gewohnt scharf: „Ein deutsches Zuwanderungskonzept hat es entweder nie gegeben oder ist – sollte es im Verborgenen geschlummert haben – weitgehend gescheitert.“
Doch gibt er der „fehlgeleiteten Zuwanderungspolitik“ nicht die alleinige Schuld an der Misere. Steinbrück schreibt von einem „abgehängten Sozialmilieu“ mit starkem Migrationshintergrund und forderte die gesteuerte Zuwanderung gut ausgebildeter Migranten: „Einwanderungsländer wie Kanada und Australien wählen sehr gezielt und ohne schlechtes Gewissen nach Qualität aus.“
In seinem Bild-Interview legt Steinbrück nun nach. „Wir haben zugelassen“, betont er, „dass Millionen Menschen geringer Qualifikation direkt in die Sozialsysteme einwanderten und vom Staat – also der Solidargemeinschaft – unterstützt wurden. Zuwanderer mit vielen Kindern können – ebenso wie Deutsche – über Sozialleistungen ein Familieneinkommen erzielen, das nahe oder sogar über dem Erwerbseinkommen eines arbeitenden Bürgers liegt.“ Dies schaffe „eine gefährliche Schieflage“. Manche Zuwanderer könnten sogar Geld an Angehörige in der Heimat überweisen. Und Steinbrück weiter: „Das sind Fehlanreize, die sich Länder wie Kanada oder Australien nicht leisten.“
Beifall von der FDP
Beifall, auch das eine Parallele zu Wolfgang Clement, erhielt Steinbrück am Montag aus den Reihen der FDP. „Es hätte mich zwar gefreut, wenn Peer Steinbrück dies schon zu seinen Ministerzeiten so gesagt hätte“, erklärte Joachim Stamp, Generalsekretär der nordrhein-westfälischen Liberalen, gegenüber der WAZ. „Aber inzwischen hat er offenbar eingesehen, dass das Prinzip, wonach Arbeit sich lohnen muss, der richtige Ansatz ist. Das freut uns.“