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Wegen Ausfällen und Verspätungen hätten täglich 5000 Passagiere Anspruch auf Entschädigungen. Offenbar kennen jedoch viele Flugpassagiere ihre Rechte noch nicht oder verzichten wegen der aufwändigen Verfahren auf eine Beschwerde.
Im vergangenen Jahr waren in Deutschland rund eine Million Passagiere von Flugausfällen betroffen. Nur ein geringer Teil von ihnen ist dafür entschädigt worden. Das geht aus einem Vermerk des tourismuspolitischen Sprechers der grünen Bundestagsfraktion, Markus Tressel, hervor. Das Papier liegt der NRZ vor. Offenbar kennen viele Flugpassagiere ihre Rechte noch nicht oder verzichten wegen der aufwändigen Verfahren auf eine Beschwerde. Die Grünen werfen der Bundesregierung Untätigkeit vor.
Die Grünen-Fraktion hatte die Bundesregierung bereits im Juli dieses Jahres in einer kleinen Anfrage um Zahlen zu Flugausfällen und -verspätungen in Deutschland gebeten. „Hierzu werden keine Daten erhoben“, lautete die Antwort. Entsprechende Datensätze scheint es aber sehr wohl zu geben: Das Unternehmen „EUClaim“ – dort arbeiten Rechtsanwälte, die Flugpassagiere vertreten – habe konkrete Zahlen, schreibt Tressel. Demnach sind von den etwa 800 000 Flügen zwischen Februar und Dezember 2009 von deutschen Flughäfen exakt 5298 ausgefallen. Weitere 1816 hoben mit einer Verspätung von mehr als drei Stunden ab. Ab einer solchen Verspätung können Passagiere laut einer EU-Verordnung aus dem Jahr 2005 eine ebenso hohe Entschädigung – zwischen 250 und 600 Euro – von der jeweiligen Fluggesellschaft einfordern wie Fluggäste, deren Maschinen ganz ausfallen. Pro Tag betrifft das in Deutschland mindestens 5000 Fluggäste.
Verbraucherschützer kritisieren die Entschädigungspraxis
Tatsächlich aber werden nur wenige Passagiere entschädigt. Laut Tressel, weil nur ein Viertel überhaupt von der „Fluggastrechteverordnung“ gehört hat; und weil die meisten Verbraucherbeschwerden zunächst von den Fluggesellschaften abgewiesen würden. Zudem dauere das schriftliche Beschwerdeverfahren zu lange.
Auch Verbraucherschützer kritisieren die Entschädigungspraxis vieler Airlines. Am Montag präsentiert der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) eine Umfrage, in der sich zahlreiche Reisende über die zögerliche Auszahlung von Entschädigungen nach Ausfällen und Verspätungen beklagen. Der Verband fordert eine Schlichtungsstelle, wie es sie für Bahnkunden bereits gibt. Das Verbraucherschutzministerium weist darauf hin, dass eine solche Schlichtungsstelle für Fluggäste in Planung ist, bei der „ihre Anliegen schnell, kostenlos und unabhängig“ geprüft werden sollen. Gespräche mit den Fluggesellschaften liefen.
Grünen-Fraktionsvize Bärbel Höhn fordert „eine Änderung der Gesetze, so dass Fluggäste direkt am Flughafen entschädigt werden“.
Service: Bis zu 600 Euro Entschädigung
Wenn sich der Flieger verspätet oder ausfällt, ist das ärgerlich, seit der EU-Verordnung für Fluggastrechte aber verschmerzbar. Immerhin sichern die Regeln bei einer Verspätung ab drei Stunden oder einer Annullierung je nach Flugstrecke zwischen 250 und 600 Euro Entschädigung – gegebenenfalls zusätzlich zur Erstattung des Ticketpreises. Ist ein Flieger überbucht, werben die Airlines mit diesen Summen sogar unter den Passagieren und bewegen so manchen dazu, sich einen zusätzlichen Urlaubstag zu gönnen.
Dieses kulante Verhalten scheint jedoch nicht die Regel zu sein. Am Montag präsentiert der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) die Ergebnisse einer Internetumfrage, die bei der Entschädigungspraxis der Fluglinien laut Verkehrsreferent Otmar Lell gravierende Mängel offenbart. „Easyjet und Ryanair sind problematische Kandidaten“, nennt Lell eines der Ergebnisse. Aber nicht alle Billigflieger seien bei der Regulierung unzuverlässig. Auf der anderen Seite gebe es „auch über Lufthansa und Air Berlin Beschwerden“.
„Die Leute werden im Regen stehen gelassen“, so der Verbraucherschützer. Nach Annullierungen oder Verspätung würden Passagiere nur selten von den Fluglinien selbst auf die Entschädigungen hingewiesen. Mancher sei wenigstens auf Nachfrage entschädigt worden. Die meisten hätten jedoch „gar kein Geld erhalten“, obwohl sie nach VZBV-Einschätzung durchaus Anspruch darauf hätten, so Lell. „Da kommt dann nach Wochen ein Schreiben zurück, das die Ansprüche zurückweist.“ Weil die Summen zu niedrig seien, um einen Anwalt mit einer Klage zu beauftragen, beließen es viele Verbraucher dabei.