Karlsruhe. .

Die Sicherungsverwahrung für „Altfälle“ darf unter bestimmten Voraussetzungen verlängert werden. Das entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Grundsatzbeschluss.

Hochgradig gefährliche Straftäter in nachträglich angeordneter Sicherungsverwahrung müssen trotz eines entsprechenden Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte demnach nicht entlassen werden, entschied der BGH in Karlsruhe.

Bei Straftaten, die vor dem 31. Januar 1998 geschehen sind, darf die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach zehnjährigem Vollzug nur dann weiter vollstreckt werden, „wenn aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Untergebrachten eine hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualverbrechen abzuleiten ist“. Dieser Grundsatz muss ab sofort von allen Gerichten, die über die Entlassung von Sicherungsverwahrten entscheiden, zwingend beachtet werden.

Nicht ohne weitere Prüfung entlassen

Der 5. Strafsenat des BGH stellte damit klar, dass Verurteilte, auf die die genannten Bedingungen zutreffen, nicht ohne weitere Sachprüfung zu entlassen sind. Hintergrund ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom Dezember 2009, wonach eine nachträgliche Verlängerung der Sicherungsverwahrung die Europäische Menschenrechtskonvention verletzt.

Seit Anfang 1998 erlaubte das Gesetz in Deutschland, die Sicherungsverwahrung bei fortdauernder Gefährlichkeit unbefristet zu verlängern - auch im Falle zuvor begangener Taten. Bis dahin hatte eine Höchstdauer von zehn Jahren gegolten. Der 5. Strafsenat des BGH widerspricht damit einem Beschluss des 4. Strafsenats des Gerichts vom Mai dieses Jahres, der eine automatische Entlassung der sogenannten Altfälle für geboten hielt.

80 „Altfälle“ bereits freigelassen

Der 5. Strafsenat hat nun beim 4. Senat angefragt, ob dieser an seiner Rechtsprechung festhält. Auch bei den übrigen Strafsenaten hat der 5. Strafsenat angefragt, ob sie seiner Rechtsauffassung zustimmen. Sollte keine Einigkeit erzielt werden, müsste schließlich der Große Senat für Strafsachen des Bundesgerichtshofs eine Entscheidung fällen.

Die ersten von rund 80 betroffenen „Altfällen“ in Deutschland wurden bereits freigelassen. Die Rechtsprechung der zuständigen Land- und Oberlandesgerichte fiel jedoch höchst unterschiedlich aus. Während ein Teil der Gerichte unter Berufung auf das EGMR-Urteil alle Sicherungsverwahrten in die Freiheit entließ, ordnete ein anderer Teil die weitere Vollstreckung der Sicherungsverwahrung an.