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Könnten Blutspenden eines Tages überflüssig werden? Erfolge kanadischer Forscher machen Hoffnung: Ihnen ist es erstmals gelungen, menschliches Blut aus Hautzellen herzustellen, berichtet das Fachmagazin Nature. Vor allem Krebspatienten könnten davon profitieren.

Die Wissenschaftler der McMaster University in der kanadischen Provinz Ontario haben die Hautzellen erwachsener Menschen mit einem Trick umprogrammiert. Zunächst mussten sie herausfinden, welche fremden Gene sie in die Hautzelle einschleusen müssen, um sie in die gewünschte Zelle zu verwandeln. Zu ihrer Überraschung genügte dafür ein einziges Gen (OKT4). Allerdings muss der Gentransfer kombiniert werden mit verschiedenen Wachstumsfaktoren und Botenstoffen, welche das Wachstum der Zelle beeinflussen und die Umwandlung anstoßen.

Anschließend entwickelten sich weiße und rote Blutkörperchen, womit sich alle notwendigen Blutbestandteile herstellen ließen, berichten die Forscher. Eine Umwandlung der Hautzelle in eine embryonale Stammzelle, um aus dieser „Alleskönnerzelle“ wiederum eine gewünschte Körperzelle zu schaffen, war nicht mehr nötig. Das neue Verfahren macht diesen Zwischenschritt überflüssig. „Wir konnten erstmals zeigen, dass es mit menschlicher Haut geht“, sagt Mickie Bhatia, Leiter des Stammzell- und Krebsforschungsinstituts in Hamilton. „Wir wissen nun, wie es funktioniert und können diesen Prozess weiter optimieren.“

Rasante Fortschritte

Die Stammzellforschung macht rasante Fortschritte. Bis vor wenigen Jahren galt als Stand der Wissenschaft, dass man reife und ausdifferenzierte Zellen – also Haut-, Nerven- oder Muskelzellen – nicht mehr in den Urzustand zurückversetzen kann. Dem Japaner Shinya Yamanaka gelang indes 2006 der Nachweis, dass man auch erwachsene Zellen durch Zugabe bestimmter Gene in Stammzellen zurückversetzen kann, die in ihrer Wandlungsfähigkeit embryonalen Stammzellen ähnlich sind. Aus diesen „induzierte pluripotente Stammzellen“ (IPS) genannten Zellen ließen sich anschließend wieder neue Zelltypen erzeugen, um in Zukunft Krankheiten wie Parkinson oder Alzheimer zu behandeln.

Anfang 2010 meldeten Mediziner der Stanford University in den USA einen weiteren Erfolg. Sie kürzten den Weg der Stammzellherstellung deutlich ab. Die Forschergruppe um Marius Wernig und Thomas Vierbuchen veröffentlichten – ebenfalls in Nature – eine Methode, mit der sie Bindegewebszellen der Maus mit Hilfe eines Gencocktails direkt zu Nervenzellen umprogrammieren konnten.

Entzückte Forscher

Die Forscherzunft reagierte entzückt: „Darauf hat die Stammzellforschung gewartet, es ist eine ganz wichtige Arbeit“, sagte der deutsche Stammzellforscher Hans Schöler damals. Denn wenn sich die Ergebnisse bestätigen ließen, wäre dies der Königsweg zur Erzeugung von Körperzellen zu medizinischen Zwecken. Die gewünschten Zellen ließen sich effizient und ethisch einwandfrei herstellen, da keine Embryonen „verbraucht“ werden müssten. Es müssten also weder Stammzellen von menschlichen Embryonen, noch die in den embryonalen Zustand zurückprogrammierten IPS-Zellen hergestellt werden – denn auch aus diesen Zellen könnte wieder ein lebensfähiger Embryo entstehen, was ethisch problematisch ist.

Die kanadischen Forscher um Mickie Bhatia verwendeten nun diese Methode, um ohne Zwischenschritte Blutzellen zu erzeugen. Dies könne schon bald dazu führen, dass Bluttransfusionen für Patienten aus deren eigenem Hautgewebe erzeugt werden können, hoffen die Wissenschaftler. So könnte der Mangel an Blutkonserven bekämpft werden. Für Patienten, die an Blutkrebs oder einer anderen Blutkrankheit leiden würde sich zudem die Suche nach einem passenden Spender erübrigen.

Zeitpunkt der Anwendung offen

Wann dieses Verfahren den Patienten zugute kommen wird, ist noch offen. „Wir können noch nicht sagen, wann es tatsächlich zu einer klinischen Anwendung kommen wird“, sagte Bhatia. Er sei aber optimistisch, dass der Ansatz in naher Zukunft die Praxis erreicht. Der nächste Schritt sei nun, Blutzellen in größeren Mengen herzustellen. Zudem soll getestet werden, ob sich die Zellen auch einfrieren lassen, damit man sie für den Ernstfall konservieren kann. Die Versuche sollen 2012 beginnen.