Berlin. .

Mit einem bitterbösen offenen Brief an Kristina Schröder hat die Feministin Alice Schwarzer auf ein Interview reagiert, das die Bundesfamilienministerin dem „Spiegel“ zum Thema Gleichberechtigung gegeben hat.

Der Kernvorwurf der Journalistin Alice Schwarzer – Jahrgang 1942 – an die Ministerin – Jahrgang 1977 in ihrem offenen Brief: Sie habe den frühen Feminismus nicht nur nicht verstanden, sondern sei allgemein völlig ungeeignet für ihr Amt. Sie gebe die Schuld an schulischen Defiziten von Jungen völlig unberechtigt feministischen Erzieherinnen und ignoriere die immer noch existierende Benachteiligung von Frauen bei der Besetzung von Führungspositionen.

„Übersehen, dass Kinder Glück spenden“

Schröder hatte in dem Spiegel-Interview die Radikalität von frühen Feministinnen kritisiert. „Es gab eine radikale Strömung, die die Lösung darin sah, lesbisch zu sein. Dass Homosexualität jetzt aber die Lösung der Benachteiligung der Frau sein soll, fand ich nicht wirklich überzeugend.“ Und dabei sei auch übersehen worden, „dass Partnerschaft und Kinder Glück spenden“.

Mit diesen Äußerungen, so Schwarzer, habe die Ministerin Klischees bemüht, die selbst an den Stammtischen längst überholt seien. Es sei immer um den Zusammenhang von Gewalt und Unterwerfung und heterosexuellem Sex und dessen Abschaffung gegangen, nicht um das Infrage stellen von Mann-Frau-Beziehungen. Da habe die Ministerin allzu vieles nicht verstanden. In den Kommentaren auf der Homepage der Frauenrechtlerin unter ihrem offenen Brief hagelt es auch Kritik von Homosexuellen, die sich durch die Vorstellung „wandelbarer“ Homosexualität um Jahre zurückgeworfen fühlen in ihrem Kampf um gleichberechtigte Anerkennung.

Streit um Ursache für Probleme der Jungs

Besonders verübelt Schwarzer der Ministerin aber den Angriff auf weibliche Erzieher. Schröder hatte im Interview gesagt: „Einen Feminismus, der die Jungs bewusst vernachlässigt, halte ich für unmoralisch.“ Man müsse sich um mehr männliche Erzieher bemühen, um den Jungen Vorbilder und Ansprechpartner zu geben, sie nicht in reinen Frauenwelten aufwachsen zu lassen und ihnen bessere Lernanreize zu geben.

Schwarzer hält dagegen: Dass es viel mehr weibliche als männliche Erzieher gebe, liege an der schlechten Bezahlung im pädagogischen Bereich. Deshalb mieden Männer diesen Bereich, der zudem wenig Prestige eintrage. Die Probleme mit Jungs aber hätten vor allem viel mit verunsichertem Verständnis von Männlichkeit zu tun, „mit einer Männerrolle, bei der es als uncool gilt, zu lernen, und als cool, zu pöbeln – und Pornos zu konsumieren“.

Archaisches Männlichkeitsbild trifft auf moderne Welt

Schuld an den aktuellen Problemen mit Jungs ist nach Schwarzers Meinung auch der Zuzug „von Menschen aus Kulturen nach Deutschland, die eben leider nicht durch den Feminismus gegangen sind, wie dei ex-sozialistischen Militärdiktaturen Osteiropas oder die muslimischen Ländern. Deren Söhne geraten nun mit ihrem arachaischen Männlichkeitsbild in unsere moderne Welt.“

Dass die beiden Damen politisch einander nicht nahe stehen, konnte man ahnen. Wie tief die Gräben sind, ist jetzt unübersehbar.