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Die Autorin Necla Kelek hat den Freiheitspreis der Friedrich-Naumann-Stiftung erhalten. Ihre Laudatorin Alice Schwarzer nutzte die Chance, um das Kopftuch abzulehnen und dem Bundespräsidenten Wulff zu widersprechen.
Die Soziologin und umstrittene Buchautorin Necla Kelek hat in der Frankfurter Paulskirche den Freiheitspreis der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit erhalten. Alice Schwarzer war ihre Laudatorin - und nutzte ihre Redezeit, um Christian Wulff zu widersprechen, das Kopftuch erneut wortreich abzulehnen und Sarrazins Thesen aufzugreifen.
Zunächst lobte die Emma-Herausgeberin und Frauenrechtlerin Keleks „Die fremde Braut“, ein Buch über die Rolle der Frau in muslimischen Familien. „Erstmals gewährte uns nun eine Betroffene, die sich selber von den inneren und äußeren Zwängen offensichtlich hinreichend befreit hatte, auch hierzulande einen Blick ins Innere der Community“, sagte Alice Schwarzer. „In Necla Keleks erstem Buch ging es um das Elend, in dem mindestens jede zweite türkische Ehefrau in Deutschland gefangen ist: nämlich in einer Zwangsehe.“
„Necla Kelek hat sich nicht einschüchtern lassen“
Es sei „kein Wunder“, dass sich Necla Kelek mit ihren Thesen nicht nur Freunde gemacht habe. „Doch Necla Kelek hat sich nicht einschüchtern lassen“, lobt Alice Schwarzer, selbst eine Kämpferin für Frauenrechte. Und das habe Zuwanderern und ihren Kindern Mut gemacht. „Sie vor allem haben wir im Stich gelassen, in dem wir dreißig Jahre lang weggesehen oder einen falschen Dialog geführt haben.“
In ihrer Laudatio auf Necla Kelek schreckte Alice Schwarzer nicht vor einem Nazi-Vergleich zurück: Die Islamisten hätten nie einen Hehl aus ihren Absichten gemacht: „So wenig wie einst die Nationalsozialisten. Und die Frauen sind bei beiden nicht zufällig die ersten im Visier.“ Schließlich gehe es bei Islamisten wie Nationalsozialisten um die „Rekonstruktion von Männlichkeit“.
Schwarzer kommt in ihrer Ansprache über Integration nicht an Thilo Sarrazin vorbei: Er benenne in seinem Buch „Deutschland schafft sich ab“ zwar die Folgen einer verfehlten Integrationspolitik, verkenne jedoch deren Ursachen. „Denn nicht „der Islam“ ist das Problem, sondern der Islamismus, der politisierte Islam“, betont Schwarzer. „Und die Ursache von Rückständigkeit ist nicht in den Genen zu suchen, sondern in den Verhältnissen.“ Außerdem zweifelte die Frauenrechtlerin Sarrazins Wissenschaftlichkeit an.
„Denn das islamische Kopftuch ist für die Türken keineswegs ein „Stückchen Stoff““
Bei ihrer Kritik an dem Bundespräsidenten Christian Wulff stärkte Alice Schwarzer Necla Keleks Rücken: Wulffs Aussage „Und das Christentum gehört zweifelsfrei zur Türkei“ sei ein schiefes Bild. Denn die etwa 100 000 Menschen christlichen Hintergrundes, hätten keine Integrationsprobleme in der Türkei, sondern lediglich Probleme mit der dort nicht existierenden Religionsfreiheit. Die wiederum sei in Deutschland selbstverständlich; für die vier Millionen Muslime in Deutschland gehe es „weniger um Religionsfreiheit, sondern um Bürgerrechte“. Es nütze nichts, bestehende Probleme zu leugnen.
Dass die Frau des türkischen Präsidenten bei Wulffs Staatsbesuch ein Kopftuch trug, stellt Alice schwarzer als den eigentlichen Aufreger dar. „Das Kopftuch von Frau Gül wurde in den demokratischen türkischen Medien als ungeheure Provokation der Erdogan-Partei gewertet“, sagte sie. „Denn das islamische Kopftuch ist für die Türken keineswegs ein „Stückchen Stoff“, wie es bei deutschen Naivlingen so gerne heißt, und schon gar nicht Ausdruck von Glauben. Das islamische Kopftuch gilt in der Türkei – wie in allen vom Islamismus beherrschten oder bedrohten Ländern – als politisches Signal, als Flagge der Islamisten.“
Necla Kelek ist die dritte Trägerin des Freiheitspreises, 2006 war die Auszeichnung an Hans-Dietrich Genscher gegangen, 2008 an den Schriftsteller Mario Vargas Llosa, der unlängst mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet wurde. „Uns war klar, dass diese unsere Wahl nicht ohne Widerspruch bleiben würde; dass es Menschen geben würde, die mit den Thesen von Frau Kelek nicht übereinstimmen oder sich sogar provoziert fühlen“, wird die Vorsitzende der Jury, Karen Horn, auf der Homepage der Stifung zitiert. „Wir ersuchen all die, auf die dies zutreffen mag, um ein wenig Besonnenheit, um Toleranz und Respekt nicht zuletzt gegenüber dem hohen Gut der Meinungsfreiheit.“ (vk)
Die komplette Rede von Alice Schwarzer ist hier nachzulesen.