Stuttgart. .
Mit gegenseitigen Vorwürfen und in rauem Ton sind sich Gegner und Befürworter des Bahnprojekts „Stuttgart 21“in der dritten Schlichtungsrunde begegnet. Die Fronten im Streit um „Stuttgart 21“ sind weiterhin verhärtet.
Mit gegenseitigen Vorwürfen und einem teils ruppigen Ton sind sich Gegner und Befürworter des Bahnprojekts „Stuttgart 21“ am Donnerstag in der dritten Schlichtungsrunde begegnet. Die Befürworter warfen den Gegnern vor, die Friedenspflicht verletzt zu haben. Im Anschluss lieferten sich beide Seiten eine detailreiche und angriffslustige Debatte über den Nutzen der Neubaustrecke zwischen Wendlingen und Ulm. Einigkeit bestand lediglich darin, dass die Fahrzeit zwischen Stuttgart und Ulm verkürzt werden müsse. Ob dies durch eine Neubaustrecke oder eine modernisierte bestehende Trasse geschehen solle, darüber wurden sich beide Seiten nicht einig. Die Fronten im Streit um „Stuttgart 21“ sind weiterhin verhärtet.
Gegner zweifeln Eignung der Neubaustrecke für Güterzüge an
Die rund 60 Kilometer lange Neubaustrecke soll nach derzeitigen Kalkulationen 2,89 Milliarden Euro kosten, 30 Kilometer der Trasse sollen in Tunnelbauten verlaufen. Der Bahnvorstand für Technik und Infrastruktur, Volker Kefer, sagte mit Blick auf die diskutierte Steigung der Strecke, dass die Trasse zwischen Köln und Frankfurt am Main sei deutlich steiler. „Die Diskussion über die Neigung können wir damit eigentlich abschließen“, meinte der Bahnvorstand.
Einer der Kritikpunkte der Gegner war die Kosten-Nutzen-Relation. Grünen-Fraktionschef Winfried Kretschmann bemängelte, dass die Neubaustrecke große Kostenrisiken wegen der Tunnelbauten und der Geologie beinhalte. Er plädierte dafür, mit einem kalkulierbaren Aufwand an Finanzmitteln das Optimum an Fahrzeitverkürzung herauszuholen. Am Mittwoch war eine detaillierte Kostenkalkulation bekannt geworden, derzufolge der Großteil der Kosten von 1,5 Milliarden Euro auf die Tunnelbauten entfällt. Der SWR berichtete allerdings, dass dieser Betrag zu niedrig kalkuliert sei. Die Gegner des Projekts fürchten eine Kostenexplosion bei der Neubaustrecke, Kretschmann sprach unter Berufung auf Gutachten von 5,3 Milliarden Euro.
Auch die Eignung der Strecke für Güterzüge war strittig. Die Gegner führten an, dass lediglich Güterzüge bis zu einem Gewicht von höchstens 1.000 Tonnen die steilere Neubaustrecke bewältigen könnten. Die Bahn berechne ihre Strecke mit „Phantomzügen“, denn es gebe heute keine Züge mit einem Gewicht von unter 1.000 Tonnen. Gegner-Experte Michael Holzhey sagte, dass der Güterverkehr notwendig sei, um die Neubaustrecke überhaupt wirtschaftlich zu machen. Kefer stellte erneut klar, dass das Hauptziel des Neubaus darin bestehe, mehr Personenverkehr auf die Schiene zu bringen. Durch die Neubaustrecke will die Bahn die Fahrzeit zwischen Stuttgart und Ulm von 54 auf 28 Minuten nahezu halbieren. Gleichzeitig werden laut Kefer auf der bisherigen Trasse Kapazitäten für den Güter- und Personenverkehr frei.
Ton zwischen Gegnern und Befürwortern wird rauer
Giftig wurde der Ton, als die Gegner nach ihrer Kritik an der Neubaustrecke nicht bereit waren, eine Alternativlösung vorzuschlagen. Der Verkehrsexperte Karlheinz Rößler, der als Gutachter für die Gegnerseite fungiert, hatte zwar sechs Möglichkeiten aufgezeigt, eine Festlegung aber abgelehnt. Stadtrat Hannes Rockenbauch rief Bahnvorstand Kefer zu: „Das ist doch Ihr Job als Bahn AG, Vorschläge zu machen.“ Verkehrsministerin Tanja Gönner (CDU) entgegnete, die Kritiker würden eine neue Trassierung doch wieder ablehnen. Kefer monierte: „Sie schlagen gar nichts vor.“
Das Projekt „Stuttgart 21“ sieht einen Umbau des Stuttgarter Hauptbahnhofs von einer Kopf- in eine unterirdische Durchgangsstation vor. Seit Monaten gibt es heftige Proteste gegen das Projekt, am 30. September war die Situation eskaliert, als bei einem Polizeieinsatz in Stuttgart über hundert Menschen verletzt wurden. Daraufhin war die Schlichtung angeregt worden. (dapd)