Stuttgart. .

Auch bei der zweiten Schlichtungsrunde des umstrittenen Bahnprojektes „Stuttgart 21“ am Freitag hat es zwischen Gegnern und Befürworter bislang noch keine Annäherung gegeben. Die Beteiligten bissen sich an Detailfragen fest.

Beide Seiten lieferten sich detailreiche Fachdiskussionen über die Leistungsfähigkeit des geplanten unterirdischen Durchgangsbahnhofs. Der Streit dreht sich darum, ob der geplante neue Bahnhof grundsätzlich mehr Kapazität als der alte Kopfbahnhof bietet.

Die Projektgegner bezweifelten vor allem, dass der Durchgangsbahnhof in der Pendler-Spitzenzeit zwischen 7.00 und 8.00 Uhr morgens ausreichend Platz für zusätzliche Züge haben wird. Ein weiterer Streitpunkt war, ob das geplante Notfahrplankonzept in dem geplanten unterirdischen Bahnhof funktioniert, falls es in den Tunnelabschnitten zu S-Bahnstörungen und -blockaden kommen sollte. Am Nachmittag sollte über den anderen Teil des Projekts „Stuttgart 21“ - die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm debattiert werden.

Streit um Vorteil der Bahnhofskonzepte

Der auch für Infrastruktur zuständige Bahnvorstand Volker Kefer sagte, ein Durchgangsbahnhof besitze gegenüber der gegenwärtigen Struktur mehrere entscheidende Vorteile. Zum einen verkürze sich die durchschnittliche Verweildauer der Züge im Bahnhof um etwa die Hälfte. Zum anderen benötige ein solcher Bahnhof nur die Hälfte der Gleise wie ein Kopfbahnhof und ermögliche über ein Drittel (37 Prozent) mehr Fahrten als ein Durchgangsbahnhof. Somit würden zusätzliche Wartezeiten vermieden.

Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) schickte in seinem Redebeitrag voraus, er behaupte nicht, dass die Bahn mit falschen Zahlen arbeite. „Ich möchte den Vorwurf „Lügenpack“ vom Tisch nehmen, den habe ich nie geäußert“ , sagte er bezüglich der bei Demonstrationen der Projektgegner verbreiteten Parolen. Zugleich bezweifelte er, dass der neue Bahnhof die von der Bahn prognostizierten Zusatzkapazitäten bieten werde.

„Das ist nicht viel“

Nach dem Austausch der Argumente sagte Palmer, nach seiner Auffassung leisteten „Stuttgart 21“ und der existierende Kopfbahnhof etwa gleichviel. „Sie müssen aber beantworten, soll gebaut werden, wenn er auch nicht mehr leistet, als der Kopfbahnhof. Wir sind der Meinung, dass nicht, weil es Milliarden mehr kostet“, sagte Palmer.

Bahnvorstand Kefer hatte zuvor dargelegt, dass durch den Bau 17 Millionen Pkw-Fahrten jährlich auf die Bahn verlagert werden könnten. Dies mache 0,5 Prozent der in Baden-Württemberg gefahrenen Pkw-Kilometer aus. „Das ist nicht viel“, kommentierte Palmer die Zahlen.

Zu dem für 2020 vorgesehen Fahrplan führte Kefer aus, derzeit führen pro Tag 683 Züge in den Kopfbahnhof, inklusive der in verkehrsreichen Zeiten zusätzlich eingesetzten Züge. Im Fahrplan 2020 seien für den neuen Durchgangsbahnhof 936 geplant. Laut dem alten Fahrplan seien in der Spitzenzeit 35 Zugankünfte, nach dem neuen 38 Ankünfte vorgesehen. Auf die Kritik, dies seien nur drei Ankünfte mehr, entgegnete Kefer, der Plan liege unterhalb der „Maximalkapazität“ des neuen Bahnhofs. Er versprach, hierfür die notwendigen Informationen nachzuliefern.

Irritationen um Betonteile

Zu Beginn der Gespräche am Freitag hatten die Streitparteien wegen Irritationen an der „Stuttgart 21“-Baustelle einen Ortstermin vereinbart. Gegner des Projektes hatten nach der Anlieferung von Betonteilen an der Baustelle am Mittleren Schlossgarten vermutet, dass die zugesagte Pause der Bauarbeiten nicht eingehalten würde. Vor Beginn der Schlichtungsgespräche hatten sich beide Parteien darauf geeinigt, dass die Baumaßnahmen am Südflügel und am Mittleren Schlossgarten unterbrochen werden. Lediglich die „vorbereitenden Maßnahmen“ zur Einrichtung des umstrittenen Grundwassermanagements im Schlossgarten sind demnach erlaubt. Betonplatten sollten aber noch nicht angebracht werden.

Bahnvorstand Volker Kefer entgegnete, das Anbringen der Betonwinkel sei Teil des in den Vorgesprächen vereinbarten Abschlusses der Vorarbeiten für das Grundwassermanagement. Er sagte zu, den Gegnern zudem bei einem Ortstermin zu zeigen, dass die gegenwärtigen Presslufthammer-Arbeiten im Südflügel lediglich der Gebäudesicherung dienten. (dapd)