Wuppertal. .

Am Rand von Wuppertal entsteht die Zukunft des Wohnens: ein Plusenergiehaus, das mehr Energie erzeugt, als es verbraucht.

Vermutlich im April nächsten Jahres ziehen Justus Otto und seine Freundin in ein Kraftwerk. Ihre alten Möbel müssen sie dann unterstellen, denn das Kraftwerk ist durchaus angenehm möbliert; und überhaupt erinnert es mit Küchenzeile, Wänden, Fensterfront und Dachterrasse schon sehr an ein Haus. Die beiden beziehen nämlich das erste „Plusenergie-Haus“ in der Gegend – es erzeugt mehr Energie, als es verbraucht.

Passivhaus war gestern.

Studenten bohren und streichen derzeit noch auf der Baustelle, sie malen und sägen und freuen sich, als Architekturstudenten tatsächlich einmal auf den Bau zu kommen: „Das hat man ja sonst im Studium nicht.“ Auf den ersten Blick sieht es hier auch nicht anders aus als auf anderen Baustellen: Aber dann schleppt wieder ein Student eine koffergroße Batterie durchs Bild. Kaliber Überseekoffer, versteht sich.

Wissenschaftler und Studenten der Uni Wuppertal planten und bauten das Haus ursprünglich für den „Solar Decathlon“ in Madrid, einen Wettbewerb für Häuser solcher Art – wo könnte man den auch besser platzieren als im spanischen Sommer?

Später einmal ein marktfähiges Produkt

Von dort kam das Haus als Sechstplatziertes von 20 Teilnehmern zurück und wird nun erneut aufgebaut im deutschen Herbst, am Rande eines windumtosten Neubaugebietes im Stadtteil Lichtscheid (!). „Es ist ein Prototyp, und wir haben vor, daraus ein marktfähiges Produkt zu machen“, sagt der Projektleiter Architektur, Martin Hochrein (39). Und Justus Otto, der Architekturstudent, wird darin wohnen im Dienst der Wissenschaft, wird messen, regeln und herumjustieren. Denn ein Jahr soll der Test mindestens dauern, der ermittelt, ob das Plusenergiehaus auch in bewohnter Fassung hält, was es verspricht: In Spanien erzeugte es das Dreifache seines Verbrauchs, für das dunkle Deutschland wird übers Jahr wenigstens noch mit dem Faktor 1,5 kalkuliert.

Dabei ist es keine Wohnmaschine, sondern ein richtiges, wenngleich recht kleines Haus aus Holz. 48 Quadratmeter umbauter Raum plus Terrassen, darin eingebaut Photovoltaik und Sonnenkollektoren für elektrische Energie und warmes Wasser; hinzu kommen neue Dreifach-Dämmungen von Wänden, Scheiben und Rahmen. Die Energie der Sonne wird in den Batterien gespeichert und, wenn die voll sind, gegen Geld ins Netz gespeist: So soll sich das Ganze bezahlt machen.

Über eine halbe Million Euro flossen in den Prototyp, seine Nachkommen sollen zugleich größer und billiger werden: Den „Ansprüchen mindestens einer Familie mit Kind genügen“, so Hochrein. Und der Preis? Liegt in der Zukunft, soll aber bezahlbar sein bei einer Einschränkung: „Schon wegen der Technik kann es das nicht so billig wie ein Fertighaus geben.“

Denn etliche Zugaben unterstützen noch Solarenergie und Dämmung: Selbst aus der Abluft wird noch die Restenergie zurückgewonnen; die LED-Lichterdecke flammt in vorauseilender Erleuchtung dort auf, wohin die Bewohner sich bewegen, und erlischt in ihrem Rücken. Und auch die Haushaltsgeräte, die die Hersteller in den Versuch steckten, sind auf einem Stand von Energieeffizienz, der noch längst nicht in den Läden ist. A+++++, so in etwa.