Wiesbaden. .
In Deutschland ist die Bedrohung durch den islamistischen Terror „präsenter denn je“, sagte Jörg Ziercke, Präsidenten des Bundeskriminalamts auf der BKA-Herbsttagung. Auch Rockerbanden waren Thema.
Die Bedrohung Deutschlands durch den islamistischen Terrorismus ist nach Einschätzung des Präsidenten des Bundeskriminalamts (BKA), Jörg Ziercke, „präsenter denn je“. Ziercke sagte am Mittwoch bei der BKA-Herbsttagung in Wiesbaden: „In Deutschland gehen die Sicherheitsbehörden von mehr als 1.000 gewaltbereiten Islamisten aus.“ Ziercke und der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Hamburgs Innensenator Heino Vahldieck, warnten zudem vor einer Zunahme der Rockerkriminalität, die ein „bedeutsames Problem für die innere Sicherheit“ darstelle. Derzeit gingen die Sicherheitsbehörden in Deutschland von 90 kriminellen Rockergruppierungen mit fast 6.000 Mitgliedern aus, sagte Ziercke.
Im Hinblick auf die Bedrohung durch Islamisten betonte der BKA-Präsident, eine besondere Gefahr gehe von radikalisierten „Rückkehrern“ aus. Die in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegene Zahl der „Gefährder“ liege in Deutschland derzeit bei 131 Personen. Weitere 274 würden als „relevante Personen“ im Bereich des Islamismus eingestuft. In Deutschland werden nach BKA-Angaben derzeit 352 Ermittlungsverfahren mit Bezügen zum islamistischen Terrorismus geführt, 105 Verfahren davon bezögen sich auf Afghanistan.
Möglichst frühzeitig intervenieren
Um der Radikalisierung junger Menschen in Deutschland entgegenzuwirken, muss laut Ziercke möglichst frühzeitig an „kritischen Stellen“ wie Schulen, Moscheen oder Vereinen interveniert werden. Nötig sei eine „Entzauberung des Islamismus“ bei jungen Menschen. Eine Studie habe gezeigt, dass die Ideologie bei der Radikalisierung von politischen Gewalttätern eine geringere Rolle spiele als bislang angenommen. Täter kämen oft aus gestörten Familienstrukturen, seien unzufrieden mit ihrer persönlichen Situation und suchten in radikalen Gruppierungen eine Art „Ersatzfamilie“. Das „Einstiegsalter“ der Islamisten liege bei 16 bis 19 Jahren.
Zur Rockerkriminalität sagte Ziercke weiter, im Jahr 2009 seien in Deutschland fast 360 Ermittlungsverfahren mit rund 880 Tatverdächtigen aus der Rockerszene geführt worden. 40 Verfahren der Organisierten Kriminalität (OK) richteten sich gegen Rockergruppierungen oder OK-Gruppen mit Verbindung zu Rockergruppen. Derzeit steige „die Gefahr einer Eskalation der Rockerkriminalität“.Vahldieck sprach von „brutalen Verteilungskämpfen zwischen konkurrierenden Gruppierungen“ und warnte vor „jeglicher Romantisierung oder Heroisierung“ der Rockerszene. Der Innensenator betonte: „Wenn wir von Rockerkriminalität reden, dann meinen wir Schwerverbrecher, die auch vor brutalster Gewalt nicht zurückschrecken.“
Vier international organisierte Rockergruppen bestimmen die Szene
Die deutsche Rockerszene wird den Angaben zufolge maßgeblich durch die vier international organisierten Rockergruppen „Hells Angels“, „Bandidos“, „Outlaws“ und „Gremium“ geprägt - die meisten Mitglieder seien im Süden und Westen Deutschlands zu finden. Hauptbetätigungsfelder krimineller Rockergruppen seien Rauschgifthandel, Menschenhandel, Schutzgelderpressung und Waffenhandel. Die Lebensphilosophie von Rockergruppen sei „unpolitisch“ und „grundsätzlich nicht rechtsextremistisch“, sagte Vahldieck.
Der Innensenator und Ziercke betonten, dass die - vom Bundesverfassungsgericht gekippte - Vorratsdatenspeicherung von Telefon- und Internetverbindungsdaten von „essenzieller Bedeutung“ für die Bekämpfung der Rockerkriminalität sei. Sie forderten eine rasche gesetzliche Neuregelung. (dapd)