Wuppertal. .
Die Spur der jüngsten Terror-Drohungen führt in die Rhein-Ruhr-Region. Einer der drei deutschen Muslime, die bei einem US-Agriff getötet wurden, stammt aus Wuppertal. Nach DerWesten-Informationen ist es der 20-jährige Deutschtürke Bünyamin E.
Bünyamin E. hat immer im Bergischen gelebt. In Sprockhövel. In Wuppertal. Er hat die Hauptschule Vohwinkel besucht und in den Ferien auf dem Bauernhof von Friedrich Bleckmann in Langenberg gearbeitet, seit er 14 Jahre alt war. Tiere pflegen. Heu aufgabeln. Was eben so anfällt. „Er war höflich, bescheiden, schüchtern“, sagt Friedrich Bleckmann. Er fügt hinzu: „Vielleicht ein bisschen unerfahren, wie alle in diesem Alter“.
Bünyamin E. (20) ist tot. Er starb bei Mir Ali im pakistanischen Waziristan am Montag vergangener Woche - wohl gemeinsam mit zwei anderen deutschen Muslimen, Naamen Meziche und Shahab Dashti. Eine amerikanische Kampfdrohne war in ihr Gehöft eingeschlagen, mutmaßlich ein El-Kaida-Lager. Bünyamins ältester Bruder hat angerufen und den Tod bestätigt. Bleckmann und Mitinhaber Ergin Celikel trauern. Sie haben aber viele Fragen.
Fragen hat auch das Auswärtige Amt in Berlin. Man könne den Namen des jungen Mannes nicht bestätigen. Der ganze Vorgang sei nicht aufgeklärt. Man recherchiere, auch bei den Amerikanern. Irgendwas ist passiert in Sachen Terrorbekämpfung, das die Deutschen direkt angeht. Das ist sicher.
Der Kronzeuge
Amerikanische Sicherheitskreise haben den Verdacht, dass die drei Deutschen vor ihrem Drohnen-Tod für eine Terrormission in Europa geschult worden waren. Meziche hatte Kontakt zu der Gruppe der Atta-Todesflieger, die am 11. September 2001 New York und Washington angriffen. Die Amerikaner haben einen Kronzeugen dafür. Es ist Ahmad Sidiqui, 36. Er kommt aus Hamburg. Er wurde festgenommen und erzählt seinen US-Vernehmern seit Wochen vieles über das Innenleben der El Kaida und über ihre Anschlagspläne für Europa. Die westlichen Hauptstädte sind seither alarmiert. Auch deutsche Ermittler durften zu Sidiqui. Die Bundesanwaltschaft will, dass er nach Deutschland ausgeliefert wird.
Der Bleckmannsche Bauernhof liegt unmittelbar neben der Bundesstraße 227, die von Essen nach Velbert führt. Er ist den Muslimen der Region nicht unbekannt. Sie kaufen hier Schafe und Lämmer. „Wir haben Deutsche und Türken als Kunden“, erzählt Friedrich Bleckmann. Jetzt sitzt er in der Wohnstube des Hofes mit Ergin Celikel beim Kaffee. Beide haben nur gute Erinnerungen an den Toten. Deutsch habe Bünyamin gesprochen, natürlich. Er habe sich mit den anderen Mitarbeitern verstanden, anders als sein Bruder, der einen „aggressiven Sprachstil“ gepflegt habe, sagt Bleckmann. „Bünyamin war ein lieber Junge“. Vielleicht der „am meisten deutsche“. Aber diese Einschätzung endet zwangsläufig im Dezember vor zwei Jahren. Zu diesem Zeitpunkt war Bünyamin zuletzt hier. Man habe ihn auch später noch in der Stadt gesehen, sagt Celikel. Vielleicht bis vor einem Jahr. Was geschah danach?
2009 hat es aus dem Umfeld der Taiba-Moschee in Hamburg eine „Ausreisewelle“ deutscher Islamisten mit Migrationshintergrund gegeben, haben Sicherheitsbehörden rekonstruiert. Die Toten aus dem Lager Mir Ali werden dieser Gruppe zugeordnet. Wie geriet Bünyamin, der „liebe Junge“, in diese Kreise?
Der Schwager
Bleckmann und Celikel suchen im Umfeld von E. nach einer Antwort. War er religiös? Er ging in die Moschee, erinnert sich Celikel. Aber auch nicht mehr als andere Muslime. Vermittelte ihm die Familie intensiv islamische Werte? Der Vater, sagt Bleckmann, habe sich vielleicht manchmal als Laienprediger verstanden. Aber radikal habe er sich nie geäußert.
Gab es Leute, die einen unguten Einfluss hätten nehmen können? Da war jemand. Der Schwager lebt in Pakistan als islamischer Geistlicher. Bünyamin brach nach Angaben seiner Familie vor drei Wochen nach Pakistan auf, um sich dort in islamischen Werten schulen zu lassen.
Irgendwann zwischen Ende 2008 und Herbst 2010 muss es bei Bünyamin E. eine Verwandlung gegeben haben. War es die vom weltoffenen jungen Türken, der Deutschland als seine Heimat sah, zum Islamisten, der wohl auch Terror nicht mehr ausschloss? Bleckmann und Celikel können das alles immer noch nicht richtig glauben.
Aber es wäre auch ein typischer Werdegang, der immer wieder in den Berichten des Verfassungsschutzes, so in dem von 2009, beschrieben ist: „In Teilen von Nordrhein-Westfalen sind vermehrt Personengruppen auffällig geworden, die im wesentlichen durch junge Männer der zweiten oder dritten Einwanderergeneration aus islamischen Ländern gebildet werden. Diese Jugendlichen oder jungen Heranwachsenden führen bis zu einem bestimmten Punkt ein eher unauffälliges westlich orientiertes Leben. Ohne einen zunächst erkennbaren Grund verändern sie ihren Lebensstil.“
Der Dschihad
„Seit Anfang 2009 hat sich das Problem der Ausreise von Personen aus dem gewaltbereiten islamistischen Spektrum in terroristische Ausbildungslager nach Pakistan erheblich verschärft“, weiß der frühere Chef des Bundesnachrichtendienstes, August Hanning. „Für die Sicherheitslage in Deutschland ist entscheidend, wie viele der ausgebildeten Dschihadisten nach Deutschland zurückkehren.“ Doch während die deutschen Sicherheitsbehörden darauf setzen, die Ausreisenden zu stoppen und dies in 26 Fällen getan haben, schlagen die Amerikaner in Waziristan zu. Sie töten mit Drohnen. So ist Barack Obamas Doktrin, dem Terror gegen Europa und Amerika vorzubeugen.
In Langenberg schüttelt der Bauer den Kopf: „Wir kennen doch gar keine vorbeugende Todesstrafe“, sagt Friedrich Bleckmann.