Ankara/Essen. .
Bundespräsident Christian Wulff hat beim Staatsbesuch in der Türkei Ankara vehement aufgefordert, dem Christentum gleiche Rechte zu gewähren. Gleichzeitig warb er dafür, dass sich hier lebende Türken in die Mehrheitsgesellschaft einbringen.
Bundespräsident Christian Wulff hat beim Staatsbesuch in der Türkei Ankara vehement aufgefordert, dem Christentum gleiche Rechte zu gewähren. Bei der ersten Rede eines deutschen Staatsoberhauptes vor dem Parlament in Ankara sagte Wulff, Muslime in Deutschland könnten ihren Glauben in würdigem Rahmen praktizieren, was die zunehmende Zahl von Moscheen belege. „Gleichzeitig erwarten wir, dass Christen in islamischen Ländern das gleiche Recht haben, ihren Glauben öffentlich zu leben, theologischen Nachwuchs auszubilden und Kirchen zu bauen“, sagte der Präsident, und: „Das Christentum gehört zweifelsfrei zur Türkei.“
Zugleich bekräftigte Wulff sein umstrittenes Bekenntnis zum Islam als Teil der deutschen Lebenswirklichkeit. „Unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger türkischer Herkunft sind in unserem Land herzlich willkommen und sie gehören zu unserem Land.“
Pflichten von zugewanderten Türken
Gleichzeitig sprach der CDU-Politiker die Integrations-Defizite von Zuwanderern mit islamischen Wurzeln unverblümt an. „Dazu gehören das Verharren in Staatshilfe, Kriminalitätsraten, Machogehabe, Bildungs- und Leistungsverweigerung“, sagte er vor den türkischen Abgeordneten und warb dafür, dass sich in Deutschland lebende Türken verantwortungsvoll in die Mehrheitsgesellschaft einbringen. Niemand müsse dazu seine kulturelle Identität aufgeben oder seine Herkunft verleugnen, sagte Wulff. Pflicht aber sei es, Werte wie die Menschenwürde, die freie Meinungsäußerung, die Gleichberechtigung von Mann und Frau und den religiös und weltanschaulich neutralen Staat zu respektieren. „Wer in Deutschland leben will, muss sich an diese geltenden Regeln halten und unsere Art zu leben akzeptieren“, hob Wulff hervor. Indirekte Kritik übte Wulff an der in Deutschland laufenden Zuwanderungsdebatte: „Wir dürfen uns nicht in eine falsche Konfrontation treiben lassen.“
Wulff forderte die Türkei auf, bei den Anstrengungen für eine Anbindung an die Europäische Union nicht nachzulassen. Eine im Westen verankerte Türkei, die eine stabilitätsorientierte Nachbarschaftspolitik im Osten betreibe, sei „als Brücke zwischen Okzident und Orient ein Gewinn für Europa“, sagte Wulff und versicherte, die EU-Beitrittsverhandlungen würden „fair“ und „ergebnisoffen“ fortgesetzt.
Reaktionen auf die Rede
Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sagte in Berlin, Wulff habe „erfreulich klar“ gemacht, dass der Religionsfreiheit die Zukunft gehöre. „Damit hat er dem unseligen Gerede von Leitkultur eine deutliche Absage erteilt.“
Positiv reagierte auch der Zentralrat der Muslime in Deutschland. Dessen Vorsitzender Aiman Mazyek lobte Wulffs Worte als „klug gewählt“. Er verglich die Integrations-Debatte in Deutschland mit der um religiöse Minderheiten in der Türkei: „Genau so, wie in der Türkei Christen von Ultra-Nationalisten als Gefahr für die Einheit des Landes betrachtet werden, sehen Rechte in Deutschland hinter jedem Muslim den Untergang des christlichen Abendlandes.“
Dabei sei Religionsfreiheit „nicht nur ein wesentlicher Bestandteil des muslimischen Glaubens, sondern auch integraler Bestandteil des europäischen Werteverständnisses“. Mazyek: „Weltoffenheit und Religionsfreiheit ist kein Widerspruch zur Einheit eines Landes, sondern sie gehören zusammen.“
Haci Halil Uslucan, Leiter des Essener Zentrums für Türkeistudien und Integrationsforschung, findet positiv, dass Wulff Gemeinsamkeiten zwischen Deutschen und Türkein betone, statt „unnötige Distanzen zwischen Mehrheit und Minderheit entstehen zu lassen“.