Düsseldorf. Es könnte ein Japantag fast ohne Japaner werden. Eigentlich soll am Samstag in Düsseldorf der „Japantag” gefeiert werden. Aber die Schweinegrippe hat die Japanische Schule erfasst, und das könnte die Festlichkeiten trüben.
Sie hatten einmal gehofft, es werde schnell wieder Alltag. „Die Schule bleibt bis zum 14. Juni geschlossen” stand bis zum Mittwoch am Tor der verriegelten Japanischen Internationalen Schule hier im Niederkasseler Kirchweg; jetzt steht da: „Die Schule bleibt bis zum 19. Juni geschlossen.”
Denn ein ganzes Stück entfernt, im Innern des Schulgeländes hinter rot-weißem Flatterband, wiederholt sich auch am Freitag noch die Szenerie der Vortage: Kinder stehen da, Mütter, Väter, Deutsche, Japaner, viele mit Mundschutz, manche telefonierend, gestresst auf und ab gehend; sie verschwinden nach und nach in einem Flachbau. Man wird dort einen Abstrich nehmen, wird ihnen einen Wattetupfer durch die Nase in den Rachen führen, die Prozedur ist nicht sehr angenehm, und sechs Stunden später wird es ein Ergebnis geben: schweinegrippekrank? Lieber Himmel, zu dieser Schule gehen 560 Kinder!
„Wir sehen das Ausmaß der Infektion jetzt”
Doch längst nicht alle sind betroffen, ist der Stand der Hoffnung. In den letzten Tagen war die Zahl der Infizierten in Düsseldorf nach oben geschnellt. Was mit acht kranken Kindern begann, stieg auf 32 am Donnerstagnachmittag, 46 am Abend, 49 am Freitagmorgen, und 55 schließlich ist die Zahl von Freitagabend: 51 Kinder und vier Eltern. „Wir sehen das Ausmaß der Infektion jetzt”, sagt Professor Heiko Schneitler, der Leiter des Gesundheitsamtes der Stadt Düsseldorf. Kinder, Eltern, Geschwister, Lehrer seien praktisch alle beprobt: „Jetzt ist es noch wichtig, dritte Kontaktpersonen zu finden.”
Gegenstimme: Kein Grund zur Sorge um das Fest
„Unsere Mentalität schreibt uns vor, dass wir am Samstag ohne Sorgen das Japan-Fest feiern”, kommentiert Kazuaki Yuoka, Hauptgeschäftsführer der japanischen Industrie- und Handelskammer in Düsseldorf. Japaner seien mutig und diszipliniert, deshalb brauchte niemand zu fürchten, dass auch nur ein Angehöriger der Familien, deren Mitglieder mit dem Schweinegrippe-Virus infiziert sind, ihre Räume verlässt. „Sie halten sich an die Regeln, zu denen sie die Stadt aufgefordert hat, das ist für uns selbstverständlich.”
Auch versorgen die Mitglieder der japanischen Gemeinde ihre Freunde und Bekannten, die vom Gesundheitsamt unter häusliche Quarantäne gesetzt wurden, mit Lebensmitteln und Medikamenten: „Sie kommen gar nicht miteinander in direkten Kontakt, sondern legen die Sachen vor die Haustür”, beschreibt Yuoka das Prozedere. Zudem neige der Japaner nicht zu Panik, „wir bleiben immer ruhig”.
Denn am Samstag soll in Düsseldorf der „Japan-Tag” gefeiert werden, ein Kultur-, Begegnungs-und Vergnügungsfest – und ein potenzieller Ort der Krankheitsübertragung, wenn hunderttausende Menschen einander umdrängen. Europas drittgrößte japanische Gemeinde feiert den Tag einmal jährlich mit den Deutschen, und alles ist bereitet: Wetter, Feuerwerk, Bühne; weiße Pavillons stehen an der Rheinpromenade, japanische Fahnen wehen auf dem Burgplatz. „Der Japan-Tag wird stattfinden”, sagt Oberbürgermeister Dirk Elbers (CDU). Und Schneitler assisitiert: „Die infektiös sind, werden zuhause bleiben, da können Sie bei der japanischen Mentalität fest von ausgehen.”
Und ihre Verwandten auch, keine Frage! Doch nicht nur deshalb könnte es ein Japan-Tag fast ohne Japaner werden. Viele Ostasiaten sind in Gesundheitsfragen eh sehr empfindlich und ziehen in ihren Heimatstädten schon Mundschutz an, wenn sie Flöhe hüsteln zu hören glauben. Und „wir möchten immer sofort alles wissen, um uns bestmöglich zu schützen”, sagt eine japanische Sekretärin in Niederkassel, die nicht identifiziert werden will. Japaner hielten Deutschland zwar für ein „ziemlich sicheres Land”, man habe auch „nicht wirklich Angst, außer Mütter mit kleinen Kindern”, aber dass viele aus Vorsicht daheim blieben, sei „sehr wahrscheinlich”. Also, gehen jetzt viele hin oder nicht? „Doch, doch”, sagt Nabusada Fukutomi entschlossen, der gerade seinen kleinen Sohn ins Auto wuchtet, „oder vielleicht nein, nein, doch nicht... Ich muss mich um meinen Sohn kümmern.”
Alle kranken Kinder sind bei ihren Eltern
„Gottseidank sind die Verläufe leichter, die wir haben”, sagt Heiko Schneitler; alle kranken Kinder seien zu Hause, auch die beiden etwas schwerer Erkrankten habe man lieber im Elternhaus belassen: „Ein japanisches Kind in einem deutschen Krankenhaus kann sich ja nicht verständlich machen.” Offenbar haben die Kinder, die fast alle in die Klassen 6/1 und 6/2 der Japanischen Schule gehen, das Virus aufgefangen bei einer gemeinsamen Klassenfahrt letzte Woche. Sie fuhren Bus und schliefen in Jugendherbergen. Kassel, Eisenach, Erfurt, Weimar – die typische ostasiatische Bildungsreise in die deutsche Klassik endete mit flächendeckend Fieber.